Georgien Georgien: Präsident Schewardnadse tritt nach Machtkampf zurück
Tiflis/dpa. - «Ich sehe, dass die Angelegenheit nicht ohne Blutvergießenausgegangen wäre», begründete der frühere sowjetische AußenministerSchewardnadse seine Entscheidung. «Ich hätte meine Vollmachten nutzenmüssen. Das ging aber nicht, deshalb habe ich meinen Rücktrittunterzeichnet.» Vor dem Parlament im Stadtzentrum nahmen zehntausendeDemonstranten die Nachricht vom Erfolg ihrer «samtenen Revolution»mit Jubel auf. Die internationale Gemeinschaft hatte den Machtkampfin Georgien mit Sorge vor einem möglichen Bürgerkrieg verfolgt.
Nach einem Tag voll wechselseitiger Drohungen legten dieOppositionsführer Saakaschwili und Surab Schwanija dem Präsidenten amSonntagabend in seiner Residenz eine unterschriftsreifeRücktrittserklärung vor. Der russische Außenminister Igor Iwanow waram Anfang des Gesprächs noch anwesend, erklärte dann aber seineVermittlungsmission für beendet. «Jetzt liegt das Schicksal Georgiensin den Händen seiner politischen Führer», sagte Iwanow vor dem Abflugin die autonome georgische Region Adscharien.
Auf dem Höhepunkt der wochenlangen Proteste gegen Fälschungen derParlamentswahl vom 2. November hatten Saakaschwili und seine Anhängeram Samstag das Parlamentsgebäude in Tiflis gestürmt. Schewardnadsemusste im Schutz schwer bewaffneter Leibwächter aus dem Gebäudeflüchten und verhängte später den Ausnahmezustand. Polizei undMilitär waren jedoch nicht mehr bereit, seine Herrschaft zuverteidigen.
Als aussichtsreichste Kandidaten bei einer kommendenPräsidentenwahl gelten Saakaschwili und Burdschanadse, die beidewestlich orientiert sind. Parlamentspräsidentin Burdschanadse hattebereits am Samstag erklärt, sie übernehme übergangsweise dieVollmachten des Staatschefs.
In der seit 1991 unabhängigen Ex-Sowjetrepublik Georgien sindbeide Präsidenten gestürzt worden. Während Schewardnadse aber ohneBlutvergießen zurücktrat, hatten sich der erste frei gewähltePräsident Swiad Gamsachurdia und seine Gegner zum Jahreswechsel1991/1992 wochenlang blutige Gefechte im Zentrum von Tiflisgeliefert.
Schewardnadse wolle nicht ins Exil gehen, sondern in Tiflisbleiben «und den zukünftigen Machthabern helfen», sagte Schwanija. Inden vergangenen Tagen hatte es immer wieder Berichte über eine Villain Baden-Baden gegeben, die über Mittelsleute für Schewardnadsegekauft worden sei. «Ich werde jetzt meine Memoiren schreiben», sagteder Ex-Staatschef selbst über seine Zukunft.
Verwirrung gab es um Berichte, am Flughafen von Tiflis stehe einStaatsflugzeug für den Weg ins Exil bereit. Die Maschine sollte aberlediglich Iwanow nach Adscharien fliegen. In der autonomen Region,die sich von Tiflis fast nicht kontrollieren lässt, verhängte dasParlament den Ausnahmezustand.
Bundesaußenminister Joschka Fischer hatte am Sonntag an beideSeiten in Georgien appelliert, «einen friedlichen undverfassungsmäßigen Weg aus den gegenwärtigen innenpolitischenSpannungen zu suchen». Die Bundesregierung beobachte dieEntwicklungen in Georgien mit Sorge, hieß es in einer in Berlinverbreiteten Mitteilung. Auch US-Außenminister Colin Powell und UN-Generalsekretär Kofi Annan forderten eine friedliche Lösung. Derniederländische Außenminister Jaap de Hoop Scheffer bot alsVorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit inEuropa (OSZE) Hilfe zu einer politischen und demokratischen Regelungan.
Im Verlauf des Wochenendes hatten immer mehr Offiziere in Militärund Polizei erklärt, sie würde Befehle zu einem gewaltsamen Vorgehengegen ihre Landsleute nicht befolgen. Kurz vor seinem Sturz entließSchewardnadse noch den Sekretär seines Sicherheitsapparates, TedoDschaparidse, weil dieser angeblich zur Opposition umgeschwenkt sei.