Generation Y oder Digital Natives Generation Y oder Digital Natives: Die jungen Milden haben es schwer in der Arbeitswelt

Berlin/MZ - Da kommt was auf uns zu. Sie verlassen Gymnasien und Unis mit Einser-Noten, strotzen dank liebevoller Förderung des Elternhauses vor Selbstbewusstsein und sind nach Schüleraustausch oder Auslandssemester international bereits erstaunlich geländegängig. Aber das ist nicht alles. Sie scheinen selbstverliebt, risikoscheu und anspruchsvoll, meiden Führungsverantwortung, lassen es an Ehrgeiz und Leistungsbereitschaft fehlen, zeigen sich wenig eigeninitiativ, dafür aber ausgeprägt freizeitorientiert. Tolle Truppe. Das kann ja was werden.
Stoßseufzer wie diese sind in letzter Zeit vermehrt aus Personalabteilungen inländischer Unternehmen zu hören. Sie gelten den 12- bis 33-Jährigen, die aus Schule, Ausbildung und Uni auf den Arbeitsmarkt drängen und in nicht allzu ferner Zukunft das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden sollen. Dass ihnen dies gelingt, wird in vielen Chefetagen bezweifelt. Die Antworten ergaben ein wenig schmeichelhaftes Bild der Berufseinsteiger von heute und morgen und natürlich ein krasses Zerrbild.
Fragwürdige Etiketten
Der renommierte deutsche Jugendforscher Klaus Hurrelmann spricht von „Etiketten, die sehr mit Vorsicht zu genießen sind“. Es handele sich bei Begriffsbildungen wie „Generation Y“ lediglich um den Versuch, Jahrgänge zusammen zu fassen, die während ihres Heranwachsens von den gleichen Ereignissen und Entwicklungen geprägt wurden. Die Generation Y der zwischen 1980 und 2000 Geborenen wurde mit dem Internet groß, weshalb sie auch als „digital natives“ , als digitale Eingeborene, bezeichnet werden. Sie wuchsen aber auch - in einer alternden Gesellschaft - mit politischem Wechsel, Jugendarbeitslosigkeit, Wirtschaftskrisen und dem 11. September auf, mit der Globalisierung, Fukushima und dem Klimawandel.
Andererseits erlebten die jungen Leute ihr unmittelbares Lebensumfeld als sicher, friedlich und ihnen emotional zugetan. Zur Generation Y zählen die Soziologen nämlich nur die auf der Sonnenseite des Lebens aufgewachsenen 25 Prozent, die meist einen akademischem Abschluss erreichen, sich eines bildungsbürgerlichen Familienhintergrunds erfreuen. Sie stehen im krassem Gegensatz zur „Generation Chips“, dem Viertel am anderen Ende der Skala, das mit ausgeprägtem Medienkonsum, schlechter Ausbildung, geringer Motivation und ungesunder Ernährung beschrieben wird. Zwischen diesen Abgehängten und der Avantgarde befindet sich die große Mehrheit, die sich tendenziell am oberen Viertel orientiert und diesem nacheifert.
„Beides, die allgemein unruhigen Zeiten kombiniert mit einem privat eher sorglosen Dasein, hat der Generation Y ihren Stempel aufgedrückt“, sagt Hurrelmann. In der Folge rangieren persönliche Entfaltungsmöglichkeiten für die Generation Y weit oben, und wenn der Beruf dazu beiträgt, ist man zu engagiertem Mittun durchaus bereit. Aber wehe, wenn nicht.
Dabei wissen die Nachwachsenden um ihren besonderen Wert, denn sie sind rar. Die Machtverschiebung auf dem deutschen Arbeitsmarkt zugunsten gut ausgebildeter Kräfte deutet sich bereits seit einigen Jahren an und wird sich beschleunigen. Aussuchen statt ausgesucht werden – das eröffnet ganz neue Perspektiven. „Entsprechend selbstbewusst treten die jungen Leute dann in Bewerbungsgesprächen auf und formulieren ihre Ansprüche“, sagt Hurrelmann. Und so treffen dann leistungsorientierte und machtbewusste Führungskräfte auf „digital Natives“, die zwar besser Englisch können, aber berufsbedingte Umzüge ablehnen, weil sie halt gern auf der Alster segeln oder Ski fahren oder das Rheinland so sehr lieben. Von Einstellungsgesprächen wird berichtet, in denen Bewerber erst einmal die Aussichten auf Elternzeit und Auszeiten ausloten oder in Frage stellen, ob man die Arbeit nicht auch von zu Hause aus erledigen könnte.
Balance als hoher Wert
Jenseits des Anekdotischen belegen Umfragen, dass die Jungen von heute andere Werte hochhalten als frühere Alterskohorten. So nannte mehr als die Hälfte von 23 000 Studenten der Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften, die 2011 vom Forschungsinstitut Trendence nach ihren berufsbezogenen Präferenzen befragt worden waren, die „Work-Life-Balance“ als maßgebliches Qualitätsmerkmal eines Arbeitsplatzes. Fünf Jahre zuvor hatten nur 38 Prozent ein ausgewogenes Verhältnis von Beruflichem und Privatem angekreuzt. Eine weitere Trendence-Erhebung unter jungen Berufstätigen mit abgeschlossenem Studium ergab 2012 eine ähnliche Tendenz: Als ausschlaggebend für die Wahl des Arbeitgebers wurden attraktive Aufgaben, ein guter Führungsstil, Kollegialität, die Wertschätzung der Mitarbeiter und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten genannt. Viel weiter unten auf der Prioritätenliste standen ein hohes Einstiegsgehalt sowie der mit dem Job verknüpfte Status oder Prestigefragen. Mein Haus, meine Jacht, mein Auto? Und mit 45 der erste Bypass? Nein danke.
Anspruchsvoll und selbstbewusst
Eine solche Haltung mag manche Unternehmen irritieren, verdammenswert ist sie deshalb aber nicht. Im Gegenteil. Der schwedische Ökonom Anders Parment zeichnet in seinem Buch „Die Generation Y – Mitarbeiter der Zukunft“ ein durchaus sympathisches Porträt: „Es ist die anspruchsvollste und selbstbewussteste Generation seit langem.“ Sie werde die Arbeitskultur in den Unternehmen radikal verändern, hin zu mehr Teamwork, flachen Hierarchien und sinnstiftenden Tätigkeiten. Unternehmen, die sich hierauf einstellten, würden von den Jungen mit hohem Einsatz und Engagement belohnt.
Dagegen dürften Unternehmen mit starren Hierarchien zunehmend Probleme bekommen, gute junge Leute zu finden, glaubt Hurrelmann und gewinnt dem durchaus Positives ab: „Wir sehen zum ersten Mal seit langem wieder eine Generation, die hinein will in die Gesellschaft, die mitmachen und sich engagieren will, aber nur wenn es Sinn und Freude macht, nicht um jeden Preis.“ Es handele sich um „eine interessante Generation mit positiver Prognose, sagt der Jugendforscher.
Man kann das glauben. Schließlich zählen Sebastian Vettel und Lena Meyer-Landrut und die komplette Fußball-Nationalmannschaft dazu. Es gab mal eine Generation, die sich Konventionen verweigerte, der Leistungsgesellschaft das Hinterteil zeigte und null Bock mit No Future verwob. Diese jungen Leute nannte man seinerzeit die „Generation X“. Sie leiten heute Personalabteilungen, sitzen in Chefetagen - und sollten an ihren Nachkömmlingen nicht verzweifeln.