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Geheimdienst Geheimdienst: Bespitzelung von Journalisten ist jetzt offiziell - und nun?

27.05.2006, 15:56

Berlin/dpa. - Die große Koalition will die Kontrolle verschärfen.Gleichzeitig gerät die Frage nach der politischen Verantwortung immerstärker in den Mittelpunkt der so genannten Spitzelaffäre. DieOpposition fordert mehr Aufklärung. «Wieso konnte dasBundeskanzleramt als Aufsichtsbehörde diese Maßnahmen nichtunterbinden?», fragte der Vizechef des ParlamentarischenKontrollgremiums (PKG), Max Stadler (FDP), im NDR.

Der BND-Bericht des Sonderermittlers Gerhard Schäfer, den derBundestag am Freitagabend veröffentlicht hatte, listet auf rund 180Seiten teils gravierende Rechtsverstöße auf. Das Gutachten zeigt,dass der BND mehrere Journalisten zum Teil über Monate überwacht hatund in einem Fall gezielt auf das Verhalten Einfluss nahm. Zugleichbeschafften sie Informationen aus der Medienszene. In einem Fallerhielt ein Journalist von 1982 bis 1998 insgesamt 652 738,91 Mark(333 740 Euro). Die FDP will bis Mittwoch entscheiden, ob sie einemparlamentarischen Untersuchungsausschuss zustimmt. Grüne undLinkspartei hatten sich bereits dafür ausgesprochen.

Die politische Verantwortung bleibt in dem Dossier offen. DasBundeskanzleramt will erst im November 1995 von der Überwachungeinzelner Journalisten gewusst haben. Der Publizist Erich Schmidt-Eenboom, der ein Buch über den BND geschrieben hatte, wurde von 1993bis 1996 observiert. Der frühere Bundesrichter Schäfer schreibt inseinem Bericht, bei dem Gewicht des Vorgangs scheine es ihm schwerverständlich, dass über den Inhalt des Buches berichtet wurde, «ohnedass gleichzeitig auf Abwehrmaßnahmen des BND eingegangen oder vonSeiten des Kanzleramtes danach gefragt worden sein soll».

Der PKG-Vorsitzende Norbert Röttgen (CDU) hält die Kontrolle derGeheimdienste nicht für effektiv. Die Fraktionen müssten über Formund Instrumente sprechen, sagte er dem Magazin «Der Spiegel». SPD-Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz kann sich nach eigenen Angabenvorstellen, dass das Gremium bei Bedarf künftig auch Zeugen ladenkann. PKG-Mitglied Fritz-Rudolf Körper (SPD) forderte, dass auchoperative Details vorgetragen werden, «damit wir weg von unsererreaktiven Rolle kommen».

Das Kanzleramt erwägt einem Bericht zufolge, dem Geheimdienst dieZuständigkeit für seinen Eigenschutz zu entziehen. Im Kanzleramt gebees Überlegungen, das Bundesamt für Verfassungsschutz damit zubefassen, schreibt die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung».Verfassungsschutzchef Heinz Fromm warnte vor Vergleichen zwischenheutigen deutschen Geheimdiensten und der Staatssicherheit der DDR.Die DDR sei ein totalitäres System gewesen und die Stasi habejemanden festnehmen können, sagte er der «Super- Illu».

Die Bundesregierung verwies auf ihre Stellungnahme vom Freitag, inder sie organisatorische Konsequenzen und disziplinarische Maßnahmenankündigt. «Der BND hat Fehler gemacht, sie liegen überwiegend weitzurück», sagte Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) der ARD.«Die neue Bundesregierung hat dafür gesorgt und wird weiter dafürsorgen, dass sich solche Fehler in Zukunft nicht wiederholen sollen.»Die Opposition forderte die Regierung dazu auf, die noch offenenKarten auf den Tisch zu legen. «Wenn das nicht ausreichen sollte,spricht vieles dafür, das Thema in dem schon bestehendenUntersuchungsausschuss mit aufzunehmen», sagte Stadler. Ein solchesGremium untersucht bereits die Rolle der Geheimdienste während desIrak-Kriegs. Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele forderte mehrTransparenz. Er schlug in der «Leipziger Volkszeitung» (Samstag) vor,dass ein unabhängiges Forscherteam die BND-Geschichte aufarbeitet.