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Gammelfleisch Gammelfleisch: «Die nächsten Skandale werden folgen»

08.09.2006, 07:11
Nicht verdorben, sondern ganz frisch: Rindfleisch liegt in der Fleischtheke eines Bio-Supermarktes in Frankfurt am Main. (Foto: dpa)
Nicht verdorben, sondern ganz frisch: Rindfleisch liegt in der Fleischtheke eines Bio-Supermarktes in Frankfurt am Main. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - «Wir haben den Eindruck, da ist nichtspassiert», sagte die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin BärbelHöhn bei einer Sondersitzung des Bundestags-Verbraucherausschusses amFreitag in Berlin. «Das ist die beste Voraussetzung, dass dienächsten Fleischskandale folgen werden.» FDP-Chef Guido Westerwellewarf Seehofer Lücken in der Lebensmittelaufsicht vor. Die Linksparteimahnte die Einrichtung eines nationalen Frühwarnsystems an.

Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) forderte die Länderzur Umsetzung der vereinbarten einheitlichen Kontrollstandards auf.«Ganz offensichtlich hat die staatliche Lebensmittelkontrolle nichtfunktioniert.» Ein Kühlhaus in Bayern sei seit Juni acht Malkontrolliert worden, ohne Gammelfleisch zu finden. BayernsVerbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU) entgegnete: «Wirhaben eine funktionierende Kontrolle.» Es gehe um wenige Händler mitkriminellen Machenschaften bei Tiefkühlware. Bayern werde aberSchlussfolgerungen ziehen.

In Stuttgart wurden weitere Portionen verdorbenes Fleischsichergestellt, die von dem Münchner Großlieferanten der Gammelwarestammten. Genauere Laborergebnisse für die sicher gestellten Warelägen noch nicht vor, teilte das Agrarministerium mit. Auch in einemBetrieb im bayerischen Landkreis Hof entdeckte die Polizeiverdorbenes Fleisch.

Bund und Länder hatten sich am Donnerstag auf einen 13- Punkte-Plan mit bundesweit einheitlichen Standards verständigt. Unteranderem sollen «schwarze Schafe» bei Lebensmittelskandalen leichterbenannt werden können.

Die Zahl der Lebensmittelkontrolleure in mehreren Ländern isteiner Umfrage der Online-Ausgabe des Magazins «Stern» zufolge nachden Fleischskandalen im vergangenen Jahr nicht aufgestockt worden. InBerlin, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt undThüringen gebe es nicht mehr Kontrolleure als vorher, berichtete«stern.de». Nur Baden-Württemberg habe 61 zusätzliche Kontrolleureangegeben. Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure fordertebessere Bezahlung. Der Vorsitzende Martin Müller wies im BR denVorwurf von Kungelei mit Fleischfirmen zurück.

Höhn hält die vereinbarten Änderungen bei den Kontrollen fürwirkungslos. «Die Zuständigkeiten müssen dringend neu geregeltwerden, weg von der Kommune hin zur Landesebene», sagte sie der dpa.Der Bund müsse eine Einsatztruppe zur Kontrolle der Kontrolleurehaben.

Die Vorsitzende des Bundestags-Verbraucherausschusses, UlrikeHöfken (Grüne), hält die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse vonLebensmittelunternehmen für notwendig. Das Gesetz für mehrVerbraucherinformationen, über das der Bundesrat am 22. Septemberentscheidet, müsse geändert werden. Damit sollen beiGesundheitsgefahren und Verstößen die Namen von Firmen genanntwerden. Die Unternehmen können dies aber unter Berufung aufGeschäftsgeheimnisse verhindern. Der Deutsche Fleischerverband sprachsich für Veröffentlichung aus, warnte aber im Deutschlandradio Kulturdavor, Namen zu nennen, bevor die Sachlage eindeutig sei.

FDP-Chef Westerwelle warf Seehofer in der «Wetzlarer Neue Zeitung»vor, er habe der Pflege eigener Beliebtheitswerte mehr Aufmerksamkeitgeschenkt als der Verbesserung der Lebensmittelaufsicht. Die Chefindes Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Edda Müller,nannte die vereinbarten Standards zur Lebensmittelüberwachunghalbherzig.