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G20 G20 in Hamburg: Jetzt stellt sich die Frage nach der Schuld an den Krawallen

Von Melanie Reinsch 09.07.2017, 15:18
Polizisten setzen Pfefferspray bei der Demonstration "Grenzenlose Solidarität statt G20" in Hamburg ein.
Polizisten setzen Pfefferspray bei der Demonstration "Grenzenlose Solidarität statt G20" in Hamburg ein. dpa

Hamburg - Mit Besen und Schippen machten die Hamburger am Sonntag in einer gemeinsamen Aufräumaktion ihr Schanzenviertel in Hamburg wieder begehbar und beseitigten die Schäden in der Straße. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kam am Morgen in die Hansestadt. Er traf Ladenbesitzer, Anwohner, fuhr ins Bundeswehrkrankenhaus.

„Schlimme Bildern und schlimme Taten“ 

Parallel dazu zogen die Sicherheitsbehörden und der Hamburger Bürgermeister Bilanz. Sie verteidigten ihre Strategien und ihr Sicherheitskonzept zum G20-Gipfel, der am Samstag offiziell endete. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sprach von „schlimmen Bildern und schlimmen Taten“ und sicherte den Opfern eine Entschädigung zu. Das sei bereits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vereinbart. „Diese Gewalt ist eine Verrohung, die wir nicht hinnehmen werden“, machte Scholz klar.

Gleichzeitig verteidigte er die Entscheidung, den G20-Gipfel in einer Stadt wie Hamburg auszutragen. Auch Steinmeier erklärte, dass Große Konferenzen wie der G20-Gipfel vielleicht nicht immer das Notwendigste erreichten. „Aber wie anders soll es denn überhaupt Fortschritte geben?“, fragte er. Wenn ein demokratisch gefestigtes Land wie Deutschland sich nicht mehr in der Lage sehe, Treffen wie diese auszurichten, „dann überlassen wir die Entscheidung einigen wenigen brutalen Gewalttätern“.

Gefahrenprognose hat sich bewahrheitet

„Die Polizei hat Enormes und Herausragendes geleistet“, sagte auch Hamburgs Innensenator Andy Grote. Ziel sei es gewesen, die Ausrichtung des G20-Gipfels sicherzustellen. „Und das ist gelungen“, erklärte er am Nachmittag in Hamburg. Grote sprach von „bewaffneten und antidemokratischen Gewalttätern“ und „skrupellosen Gewaltakten“, die er in dieser Form noch nicht erlebt habe. „Unsere Gefahrenprognose hat sich bewahrheitet“, sagte er. Der Einsatz sei auch noch nicht zu Ende. Auch in der Nacht zu Sonntag kam es in der Hansestadt zu Ausschreitungen.

Freitagabend hatten gewaltbereite Linksextreme bis tief in die Nacht gewütet: Zerstörte Straßen in der Schanze, geplünderte Geschäfte, zertrümmerte Ladenfassaden, verbrannte Gerüste, herausgerissene Verkehrsschilder, geschockte und verängstigte Anwohner, die auf die Dächer flüchteten, angeschossene Polizisten. Spezialeinheiten der Polizei, die eigentlich für Terrorakte gerufen werden, mussten schwerbewaffnet in das zeitweise außer Kontrolle geratene Viertel eindringen.

Kritik an der Polizei

Zunächst war es bei der antikapitalistischen „Welcome-to-hell“-Demo am Donnerstag zu Tumulten zwischen Demonstranten und Polizisten gekommen, weil sich im rund 1000-Mann-starken schwarzen Block etwa 600 Vermummte befanden. Hier gab es in den vergangenen Tagen immer wieder Kritik an der Polizei: Bis zum frühen Abend war die Veranstaltung friedlich verlaufen. Erst als der Zug Richtung Landungsbrücken loslaufen wollte, eskalierte die Situation.

Der Einsatzleiter der Polizei, Hartmut Dudde, sagte: „So konnten wir den Aufzug nicht durch das Wohngebiet führen. Wir haben den Aufzug nach 500 Metern gestoppt und die Menschen aufgefordert, die Vermummung abzulegen.“ Als das nicht geschah, versuchten die Hundertschaften die Teilnehmer vom schwarzen Block zu trennen und diese einzuschließen. Daraufhin wurden die Beamten massiv mit Steinen und Flaschen beworfen – die Situation eskalierte, auch weil sich die Autotonomen panisch über die Flutmauer retteten und flüchteten.

Ralf Martin Meyer erklärte, man habe sich anderthalb Jahre auf diesen Einsatz vorbereitet und „alles Menschenmögliche“ getan, um Vorkehrungen zu treffen. Es mache ihn stolz, dass man den Gipfel trotz Störungen ausrichten konnte. Es bedrücke ihn aber, dass der Schutz des Eigentums der Bürger nicht gewährleistet werden und dass man die Verletzungen nicht vermeiden konnte. Insgesamt wurden rund 480 Polizisten in den letzten drei Wochen verletzt. 186 Menschen sind festgenommen, mehr als 200 in Gewahrsam genommen wurden.

Innenminister verteidigt Vorgehen der Polizei

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte das zum Teil kritisierte Vorgehen der Polizei. Bei diesem „Ausmaß an völlig enthemmter Gewalt“ könne „trotz aller Konsequenz und auch bei bester Vorbereitung nicht jede Ausschreitung erfolgreich sofort unterbunden werden“, sagte de Maizière der „Bild am Sonntag“. Der Rechtsstaat habe nicht die Kontrolle verloren. Die Verantwortung für die Gewalt liege „einzig und allein bei den Chaoten“, sagte der Innenminister. Die Lage sei für die Einsatzkräfte „sehr komplex“ gewesen. Er forderte harte Strafen für die Täter. „Das waren keine Demonstranten, sondern Kriminelle“, sagte de Maizière.

Die Organisatoren der Hamburger Anti-G20-Proteste haben dagegen jede Verantwortung für die Krawalle während des Gipfeltreffens zurückgewiesen. „Den Schuh werden wir uns nicht anziehen als die Bündnisse, die einen zivilen Ungehorsam und Demonstrationen organisiert haben“, sagte die Sprecherin der Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20“, Emily Laquer, am Sonntag.

Laquer gibt Polizei Mitschuld an den Krawallen

Es bestehe allerdings Einigkeit, „dass wir (...) es falsch finden, wenn die Bürger der Stadt Hamburg in Mitleidenschaft genommen werden und ihre Autos angegriffen werden. Das wollten wir so nicht.“ Das sei nicht Teil der Verabredungen für die Aktionen und Bündnisse gewesen, sagte Laquer, die zu der vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuften Interventionistischen Linken gehört.

Sie gab der Polizei eine Mitschuld an den Krawallen: „Wir haben immer wieder vor dem Gipfel die Polizei aufgefordert, den Weg der Eskalation zu verlassen, und haben auch gewarnt, dass es Menschen geben wird, denen der Kragen platzt, wenn sie das nicht macht.“