"Friends of Gerd" "Friends of Gerd": Freunde und Feinde aus Gerhard Schröders Karriere
Berlin - „Sie wird keine Koalition unter ihrer Führung mit meiner sozialdemokratischen Partei hinkriegen“, verkündete Gerhard Schröder am Abend der Bundestagswahl vor zehn Jahren. Wenig später war Angela Merkel Kanzlerin einer großen Koalition mit der SPD und Schröder blieb nur als Ölbild im Kanzleramt. Er wechselte in die Wirtschaft, einige seiner engeren politischen Vertrauten sind in der Politik geblieben.
Der Dienende: Als Gerhard Schröder 1998 Bundeskanzler wurde, nahm er seinen engsten Mitarbeiter aus Niedersachsen mit ins Kanzleramt. Frank-Walter Steinmeier war erst Büroleiter des Ministerpräsidenten, dann Leiter der Staatskanzlei. Schröder machte den ruhigen, ausgleichenden und wenig in die Öffentlichkeit drängenden Juristen zum Staatssekretär im Kanzleramt, dann zum Kanzleramtsminister. In den Großen Koalitionen unter Merkel wurde Steinmeier Außenminister, zeitweise auch Vizekanzler. Als Kanzlerkandidat scheiterte er an der CDU-Frau und ist jetzt als möglicher nächster Bundespräsident im Gespräch.
Der Nachfolger: Sigmar Gabriel war der ungestüme Nachfolger Schröders in Niedersachsen. Auf dem Ministerpräsidenten-Posten hielt er sich dort allerdings nicht lange – er verlor 2003 gegen Christian Wulff, verzweifelt hatte er im Wahlkampf sogar Front gegen die rot-grüne Bundesregierung gemacht. Schröder gab ihm den Posten des Pop-Beauftragten der SPD, zum Verliererimage kam der Spitzname „Siggi Pop“. Gabriel versuchte, ins seriöse Fach zu wechseln – im ersten Merkel-Kabinett wurde er Umweltminister. Als SPD-Chef, Wirtschaftsminister und Vizekanzler wechselt er jetzt zwischen den Rollen des SPD-Frontkämpfers und des Staatsmannes. Als potenzieller nächster Kanzlerkandidat kommt ihm vielleicht die Rolle des Schröder-Doubles in der nächsten Wahlabend-Sendung zu.
Der Wahlkämpfer: Franz Müntefering leitete als SPD-Bundesgeschäftsführer den Wahlkampf 1998, der in einen rot-grünen Wahlsieg mündete. Die „Kohl-muss-weg“-Stimmung half, die SPD setzte auf eine Wahlkampagne, die mit einem eigenen Kampagnenhaus, der „Kampa“, und witzigen Utensilien zur eigenen Geschichte wurde. Der knorrige Müntefering wurde mit seinen langen Koteletten selbst zur Marke. Im Kabinett Schröder war der Sauerländer zeitweise Bauminister, danach Chef der Bundestagsfraktion. Er drängte Schröder aus dem Amt des SPD-Chefs, als es mit der Agenda-2010-Politik eng wurde. Nach der Wahlniederlage wurde Müntefering im ersten Kabinett Merkel Arbeitsminister und Vizekanzler. Seit 2013 sitzt der heute 75-Jährige nicht mehr im Bundestag, durch seine junge Ehefrau Michelle ist der Namen weiter vertreten.
Die graue Eminenz: Matthias Machnig war weniger ein Schröder-Mann als ein Müntefering-Mann. Als dessen engster Mitarbeiter prägte er den Wahlkampf 1998 mit, 1999 wurde er SPD-Bundesgeschäftsführer – auf Münteferings Empfehlung. Auch wenn es abwärts ging, sah er die SPD meist im Aufwärtstrend, Machnig vermittelte den Eindruck, er kenne den Geheimplan zum Erfolg. Irgendwann klappte es wohl nicht mehr ganz mit Schröder, Machnig, Müntefering, der Hintergrund-Arbeiter zog sich zurück in die Politikberatung von außen – und kam 2005 in der großen Koalition wieder, als Staatssekretär in Sigmar Gabriels Umweltministerium. Nach einem Intermezzo als Wirtschaftsminister in Thüringen ist er nun Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, bei Gabriel, wieder ganz in der Nähe der Macht.
Der Schweiger: Der einstige Journalist und Redenschreiber von Willy Brandt kam ebenfalls mit Schröder aus Hannover nach Bonn. Uwe-Karsten Heye wurde dort, was er in Niedersachsen gewesen war: Regierungssprecher. Heye war ein schweigsamer Sprecher – Antworten waren oft nur ein Lächeln oder ein Knurren. Nach vier Jahren war es genug, er wurde Generalkonsul in New York. Heute ist der 75-Jährige Vorsitzender des Vereins „Gesicht zeigen“, der sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus einsetzt. Sein Vize-Sprecher Thomas Steg, ein Mann mit großem Spaß am Sprechen und Strippenziehen, blieb auch in der ersten großen Koalition Sprecher und ist heute Cheflobbyist von Volkswagen. Konzernsitz: Niedersachsen.
Lesen Sie im nächsten Abschnitt, wer der Intimfeind Schröders ist.
Der Mann für die Schlagzeile: „Bild, BamS und Glotze“ brauche er zum Regieren, hat Schröder einmal gesagt. „Bild“ und „Bild am Sonntag“ holte er sich gleich in Persona ins Haus. Der Springer-Journalist Bela Anda, der sich mit einer frühen Schröder-Biografie empfohlen hatte, wurde Chef-Sprecher der Regierung nach Heye. Nach Merkels Wahlsieg übernahm Anda die Pressearbeit bei Schröders Freund Carsten Maschmeyer, dem Chef des umstrittenen Finanzdienstleisters AWD. Seit drei Jahren ist Anda zurück bei der Bild-Zeitung, als Vize-Chefredakteur.
Der Ruhrbaron: Bodo Hombach gab nur ein kurzes Gastspiel bei Schröder. Neun Monate lang war der Mann aus dem mächtigen nordrhein-westfälischen Landesverband Kanzleramtsminister. Er galt als guter Wahlkämpfer und drängte die SPD mit Schröder auf den „Neue-Mitte“-Kurs. Als Krisenmanager und Koordinator der Regierung schien er weniger geeignet. Nach wie vor hat Hombach, der zwischendurch als Verlagsmanager arbeitete, Einfluss in der SPD. Sigmar Gabriels neuer Berater Thomas Hüser kommt, so heißt es, auf seine Empfehlung.
Der Feind: Es passe kein Blatt Papier zwischen sie, versicherten Schröder und der damalige SPD-Chef Oskar Lafontaine im Wahlkampf. Wenige Monate später waren aus keinem Blatt mehrere Wagenladungen geworden. Lafontaine, der selbst gerne Kanzler geworden wäre und Schröders Kurs als zu neoliberal empfand, trat überraschend als Finanzminister und Parteichef zurück. Ohne Ankündigung, ohne Erklärung, ohne Beratung mit Schröder. Der ersetzte ihn rasch durch den weniger impulsiven Hans Eichel, der ohnehin gerade eine Wahl in Hessen verloren hatte. Das Zerwürfnis mit Lafontaine wirkt bis heute fort. Angeblich haben beide seit dem Rücktritt 1999 nicht miteinander gesprochen. Lafontaine, der zwischendurch die Linkspartei mitgründete und führte und nach eigener Auskunft Schröders Wahlniederlage als Befreiung empfand, gibt sich unschuldig. Schröder müsse „ja nur ein Kärtchen schreiben“, hat er gerade dem Deutschlandradio Kultur gesagt. Lafontaine hat sich mittlerweile auch politisch zur Ruhe gesetzt, seine Frau Sahra Wagenknecht bestimmt die Linkspartei-Politik mit.
Der Grüne: Mit Joschka Fischer verband Schröder einiges: Der Wahlsieg, die Macho-Attitüde und das Underdog-Gefühl. Schröder war als Sohn einer Putzfrau zum Regierungschef aufgestiegen, Fischer dirigierte als Nicht-Akademiker die deutsche Außenpolitik und das elitäre Diplomatencorps des Auswärtigen Amtes. Wie Schröder schied Fischer nach der verlorenen Wahl 2005 aus der Politik aus. Wie der Kanzler übernahm er schnell Beratungsjobs, ebenfalls wie Schröder im Bereich des Ölpipelinebaus, allerdings bei der Konkurrenzfirma. Anders als der Altkanzler äußert sich der Alt-Außenminister immer wieder gerne zur aktuellen politischen Weltlage.
Und doch noch eine Frau: Viele Frauen fanden sich nicht in Schröders näherer politischer Umgebung. Aber die eine oder andere dann doch: Auch Brigitte Zypries kam aus der niedersächsischen Regierung. Schröders Vertrauten Frank-Walter Steinmeier kannte sie aus dem Studium. Unter Schröder wurde sie in der Bundesregierung erst Staatssekretärin, dann Justizministerin. Heute ist Zypries Staatssekretärin, im Wirtschaftsministerium, unter Schröder-Nachfolger-Gabriel.