Frauen in Moscheen Frauen in Moscheen: Marokko bildet erstmals weibliche Prediger aus

Rabat/Madrid/dpa. - Nun verhalfder Reformer auf dem Thron dem Königreich zu einer weiteren Neuerung.Das muslimische Marokko lässt als erstes Maghreb-Land Frauen zuGeistlichen ausbilden. Die ersten 50 Predigerinnen erhielten kürzlichihre Diplome ausgehändigt und geben nun in Moscheen, Schulen undBildungszentren im ganzen Land Religionsunterricht.
Eines bleibt ihnen allerdings versagt: Sie dürfen nicht dastraditionelle Freitagsgebet sprechen. Dies bleibt den Männernvorbehalten. Die Predigerinnen werden daher auch nicht als Imame(Vorbeter) bezeichnet, sondern als «Mourchidates» (Führerinnen). DassFrauen das Freitagsgebet sprechen, gilt nicht nur in Marokko, sondernauch in weiten Teilen der islamischen Welt als undenkbar.
Unvergessen ist der Wirbel, den die Islam-Expertin Amina Wadud vorgut einem Jahr auslöste, als sie in einer Moschee in New York alseine der ersten Frauen vor männlichen und weiblichen Gläubigen dasFreitagsgebet leitete. In zahlreichen Ländern erhoben sich Proteste,viele Muslime warfen der Professorin Provokation vor. Der Imam desberühmten Kairoer Islaminstituts Al-Azhar, Scheich Mohammed SaidTantawi, nahm vor allem Anstoß daran, dass eine Frau vor Männernpredigte: «Der Anblick einer Imamin lenkt die Männer im Augenblickder Kommunikation mit Gott ab. Die Spiritualität geht verloren.»
In Marokko stieß die Ausbildung von Predigerinnen fast überall aufein positives Echo - von den Frauenverbänden bis hin zu dengemäßigten Islamisten. Die 50 «Mourchidates» waren aus einem Kreisvon 1200 Bewerberinnen ausgewählt worden. Sie mussten nicht nurislamisches Recht, sondern auch Fremdsprachen, Psychologie undInformatik büffeln. Die 39-jährige Zhor Bourbach, eine ausgebildeteGeologin, umschrieb nach Entgegennahme des Diploms ihre neue Aufgabe:«Wir müssen die Leute nicht allein in Glaubensfragen beraten. Wirmüssen ihnen auch helfen, ihre Ehe- und Alltagsprobleme zu lösen.»
Marokko verfolgt mit der Ausbildung der Predigerinnen auch einanspruchsvolles politisches Ziel: Die Verbreitung einer tolerantenund modernen Version des Islams soll den rückwärts gewandten Kräftenund den Fundamentalisten den Boden entziehen und indirekt zum Kampfgegen den Terrorismus beitragen. «Das Übel des Extremismus lässt sichnicht allein mit repressiven Methoden ausrotten», meint derPolitologe und Islamwissenschaftler Ahmed El Yabouri. «Ich habe mitmehreren Führern radikaler Gruppen gesprochen und festgestellt, dasssie vom Islam keine Ahnung haben. Ihre Ignoranz hat sie für denExtremismus anfällig gemacht.»
Nach den Anschlägen in Casablanca im Mai 2003 mit 45 Todesopfernentschied Rabat, den Islamisten an den Moscheen nicht länger das Feldzu überlassen. Der Staat kümmert sich nun selbst um die Ausbildungder Geistlichen. Zusammen mit den 50 «Mourchidates» erhielten aucherstmals 150 männliche Imame nach einem vierjährigenUniversitätsstudium staatliche Diplome.