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Fragen und Antworten zum Asylstreit  Fragen und Antworten zum Asylstreit : Was kann Seehofer im Alleingang anweisen?

Von Thorsten Knuf 15.06.2018, 13:52
Bundesinnenminister Horst Seehofer
Bundesinnenminister Horst Seehofer dpa

Berlin - Im Asylstreit zwischen CDU und CSU drohen die Christsozialen mit einem Alleingang: Innenminister Horst Seehofer könne die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze auch gegen den Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel anordnen. Von einem „Ministerentscheid“ ist in diesem Zusammenhang die Rede. Ein Überblick über die Rechtslage.

Was ist mit „Ministerentscheid“ gemeint?

Seehofer ist als Bundesinnenminister oberster Dienstherr der Bundespolizei. Diese ist für den Schutz der deutschen Staatsgrenzen zuständig. Seehofer könnte die Grenzer theoretisch anweisen, bestimmte Gruppen von Flüchtlingen nicht mehr ins Land zu lassen. Im aktuellen Streit geht es um Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind und deren Fingerabdrücke in der europäischen Datenbank Eurodac erfasst wurden.

Ein „Ministerentscheid“ ist also nichts anderes als die Entscheidung eines Ministers, etwas zu tun oder zu lassen. Das ist nicht mit der so genannten „Ministererlaubnis“ zu verwechseln. Dieser Begriff stammt aus dem Kartellrecht: Der Bundeswirtschaftsminister darf Firmen-Zusammenschlüsse, die das Bundeskartellamt untersagt hat, per Ministererlaubnis doch noch genehmigen.

Ist es realistisch, dass die Bundespolizei einzelne Gruppen von Flüchtlingen an der Grenze herausfiltert?

Eine derartige Anweisung wäre in der Praxis nur umsetzbar, wenn es auch lückenlose Einreisekontrollen an den deutschen Grenzen gäbe. Tatsächlich gibt es aber allenfalls sporadische Kontrollen. Deutschland und sämtliche Nachbarn sind Teil des Schengen-Raums, in dem die Grenzkontrollen grundsätzlich abgeschafft sind. Systematische Kontrollen würden das Leben in den Grenzregionen stark beeinträchtigen und wären Gift für Wirtschaft und Tourismus.

Könnte Seehofer überhaupt gegen den Willen Merkels tätig werden?

An dieser Stelle lohnt sich ein Blick ins Grundgesetz. In Artikel 65 heißt es: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbstständig und unter eigener Verantwortung.“ Aus verfassungsrechtlicher Sicht hat die Regierungschefin also das letzte Wort. Das ist auch logisch, denn schließlich ist sie vom Bundestag gewählt, während die Minister nur ernannt wurden. „Der Ober sticht den Unter“, würden Kartenspieler sagen.

Und was passiert, wenn sich Seehofer darüber hinwegsetzt?

Dann würde es nicht um rechtliche, sondern allein um politische Fragen gehen. Ein derartiger Schritt wäre ein eklatanter Vertrauensbruch. Merkel müsste entscheiden, ob sie ihren Innenminister feuert oder ihn gewähren lässt. Option eins würde vermutlich das Ende der Koalition und der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU bedeuten. Auch Merkel wäre erst einmal am Ende, müsste sich eine neue Mehrheit suchen oder auf Neuwahlen zusteuern. Entschiede sich die Kanzlerin dazu, Seehofer gewähren zu lassen, könnte sie zwar womöglich bis auf weiteres die Koalition und ihr Amt retten. Merkels Autorität als Regierungschefin wäre aber dahin.