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Fragen und Antworten Fragen und Antworten: Warum lagern in Jülich radioaktive Abfälle?

Von Barbara Cepielik 14.04.2016, 14:44
Castorenbehälter im Forschungszentrum Jülich.
Castorenbehälter im Forschungszentrum Jülich. dpa

Köln - Laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland wurden bei dem mutmaßlichen Organisator der Anschläge von Paris, Salah Abdeslam, Fotos des Atomforschungszentrums Jülich an der Grenze zu Belgien gefunden. Der Verfassungsschutz wies den Bericht zurück. Womit sich das Forschungszentrum in Jülich aktuell beschäftigt und wieso dort radioaktive Abfälle lagern, lesen Sie hier.

Womit beschäftigt sich das Forschungszentrum Jülich?

Das Zentrum wurde in den 1950er-Jahren als Kernforschungsanlage gegründet. 1990 folgte – nach dem Scheitern des Hochtemperaturreaktors – die Namensänderung in Forschungszentrum Jülich und die neue Profilierung für die Kernthemen Gesundheit, Umwelt, Energie und Information. Rund 1000 Mitarbeiter erforschen, wie man das Energiesystem umbauen kann. Ein zweiter großer Themenbereich verbirgt sich hinter der Überschrift „Information und Gehirn“ – dazu gehört unter anderem die Alzheimerforschung.

Warum lagern in Jülich radioaktive Abfälle?

Der Forschungsreaktor Jülich war 1967 der erste deutsche Hochtemperaturreaktor. 15 kommunale Stromversorger hofften, mit ihm die Funktionsfähigkeit eines neuen Reaktortyps zur günstigen Stromherstellung nachweisen zu können. Mittlerweile hat sich das Forschungszentrum Jülich jedoch ganz aus dem Bereich Hochtemperaturreaktor zurückgezogen. Das Land NRW finanziert keine Atomforschung mehr, es sei denn, es geht um Sicherheit, Endlagerung und Rückbau.

Welche potenziell risikoreichen Anlagen gibt es dort heute?

1988 wurde der Betrieb des Forschungsreaktors eingestellt. Der radioaktiv belastete Reaktorbehälter ist 2015  mit einem Spezialtransporter in ein eigens errichtetes Zwischenlager auf dem Gelände gebracht worden.  Dort soll er mindestens 70 Jahre bleiben.

Warum gibt es keinen sicheren Einschluss?

Der sichere Einschluss ist vorbereitet worden, dafür wurden bis 2003 schon 200 Millionen Euro ausgegeben. 1999 wurde aber eine radioaktive Belastung in Boden und Grundwasser festgestellt. Bund und Land vereinbarten daher den Rückbau, um den Boden zu reinigen. Die kalkulierten Kosten liegen bei 400 Millionen Euro –  ohne Lagerung und Sanierung des verseuchten Bodens.

Was genau im Reaktorbehälter steckt

Wo sind die Brennelemente?

Die hochstrahlenden Brennelemente sind 1994 aus dem Reaktorbehälter entfernt worden und liegen in einem Zwischenlager auf dem Gelände des Forschungszentrums. Mehr als 300 wurden nach Ahaus gebracht, 153 Castorbehälter stehen noch in Jülich. Experten ringen seit Jahren um eine Endlagerlösung – Jülich liegt im Erdbebengebiet der Niederrheinischen Bucht, und das Zwischenlager ist der Aufsichtsbehörde nicht ausreichend gegen Erdbeben gesichert. Ein Transport nach Ahaus ist ebenso im Gespräch wie der Transport in die USA. Gegen beide Variante wehren sich  Umwelt- und Naturschutzverbände. Die rot-grüne Landesregierung will einen Transport nach Ahaus ebenfalls verhindern.

Was ist in dem Reaktorbehälter?

500 Kubikmeter Porenleichtbetonmischung. Das Material soll den radioaktiven Staub fixieren und die inneren Einbauten stabilisieren. Im Störfall soll er die Freisetzung von Radioaktivität minimieren. Rainer Moormann, der 35 Jahre an der Sicherheit von Kugelhaufen-Reaktoren an der früheren Kernforschungsanlage Jülich forschte, geht davon aus, dass der Reaktor im Inneren hochstrahlend ist. Er befürchtet, dass Kugeln undicht geworden sind, von denen einige hundert noch im Reaktor seien. Die Radioaktivität (Cäsium und Strontium) sei aus den Kugeln entwichen und habe sich im Reaktor verteilt.

Wer ist für den Jülicher Atommüll zuständig?

Das Forschungszentrum Jülich hat seine Verantwortung für den umstrittenen Atommüll im September 2015 an eine neue bundeseigene Gesellschaft abgegeben. Der Geschäftsbereich Nuklear-Service des Forschungszentrums ist mit der früheren Betreiberin des Forschungsreaktors (der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor) zu einer neuen Gesellschaft zusammengeschlossen worden. Sie ist ein Tochterunternehmen der Energiewerke Nord (EWN) und  heißt „Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH“, kurz JEN. Das neue Unternehmen soll spezialisiert sein auf Stilllegung und Rückbau nuklearer Anlagen. Das Forschungszentrum hatte 2003 die Verantwortung für die Entsorgung der Brennelemente übernommen.

(mit Reuters, dpa, mde)