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Forum Demokratische Linke Forum Demokratische Linke: SPD-Linke zerlegt sich selbst

Von Karl Doemens 07.07.2014, 17:08

Berlin - Angesichts heftigster interner Querelen steht das Forum Demokratische Linke DL 21, der ehemals wichtigste Zusammenschluss der SPD-Linken, vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Bereits am Wochenende waren Arbeitsministerin Andrea Nahles, der bayerische SPD-Chef Florian Pronold und der Bundestagsabgeordnete Niels Annen aus dem Verein ausgetreten. Gestern kehrte nach Informationen der Berliner Zeitung auch SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht der Organisation unter Protest den Rücken. Lambrecht hatte bis zuletzt dem DL21-Vorstand angehört. SPD-Vize Ralf Stegner sagte der Berliner Zeitung, die Strategie von DL21-Chefin Hilde Mattheis, stets „möglichst schrille Querschüsse zu bringen“, habe sich überlebt.

Auslöser des aktuellen Mitglieder-Exodus ist eine Presseerklärung von Mattheis zum Mindestlohn. „Ausnahmen vom Mindestlohn sind unsozial“ hatte die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Anfang der vorigen Woche getitelt und dann die von SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles verhandelte Lohnuntergrenze mit einem roten Apfel verglichen, der „auf der einen Seite verfault ist“. Nach internen Protesten ließ Mattheis diese Erklärung von der Homepage des Vereins löschen. Stattdessen erklärt sie dort nun: „Der Mindestlohn ist ein Meilenstein!“

Diese abenteuerliche Kehrtwende half der streitbaren DL21-Chefin, die immer wieder durch Fundamentalkritik an ihrer eigenen Partei auffällt, aber nicht. Am Wochenende flatterte ihr das Austrittsschreiben von sechs prominenten Mitgliedern auf den Tisch. Zu den Unterzeichnern gehören neben Nahles, die selbst einmal die DL21 leitete, auch die Parteilinken Niels Annen und Florian Pronold. Nun gesellt sich Fraktionsgeschäftsführerin Lambrecht, der einzig prominente Kopf im DL21-Vorstand, zu den Abgängen. Weitere Austritte werden in Parteikreisen erwartet.

Vorsitzende in der Kritik

Nahles, Pronold und Annen betonen in ihrem Schreiben, es gehe ihnen nicht nur um den Mindestlohn: „Es ist nicht das erste Mal, dass insbesondere Erfolge innerhalb der SPD und im politischen Raum, die auf maßgeblichen Einsatz von Linken innerhalb der Sozialdemokratie zurückgehen, von führenden Vertretern der DL21 schlecht geredet werden.“ Die Unterzeichner werfen Mattheis vor, sie habe die DL21 „ins Abseits manövriert“ und spiele „den politischen Wettbewerbern in die Hände“. Aus ähnlichen Gründen war schon im Oktober der Chef der Berliner Senatskanzlei, Björn Böhning, aus der DL21 ausgetreten, der er „eine gewisse Lust an der innerparteilichen Niederlage attestierte“. Lambrecht sagte nun der Berliner Zeitung, Mattheis habe ihre erste Presseerklärung zum Mindestlohn nicht mit dem DL21-Vostand abgestimmt. Sie sei „weder mit dem Inhalt noch mit dem Verfahren“ einverstanden: „Aus diesem Grund bin auch ich aus dem Forum Demokratische Linke ausgetreten“.

Scharfe Kritik an der Spitze des Vereins, der 800 bis 1000 Mitglieder haben soll, kommt auch von anderen SPD-Linken. „Wäre ich dort noch Mitglied, wäre ich jetzt ausgetreten“, sagte SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. Die DL21 blende komplett aus, dass die SPD in einer Koalition regiere.  Mit ihrer Kritik an sämtlichen politischen Kompromissen habe sie sich zu einer „parteiinternen Instanz zur Geißelung der SPD“ entwickelt und diene damit als „Kronzeugenverein der Linkspartei“. Auch SPD-Vize Stegner distanzierte. Die Fundamentalopposition der DL21 führe nicht weiter: „Eine pragmatische Linke muss in Regierungszeiten auch den Anspruch haben, mitzubestimmen, was geschieht“. Mattheis habe mit ihrer Volte beim Mindestlohn „ein Eigentor“ geschossen, sagte Stegner. Die DL21-Vorsitzende war am Montag nicht zu erreichen.