Flugzeugabstürze Flugzeugabstürze: Russische Medien glauben nicht an zeitgleiche Unfälle

Moskau/dpa. - Mit Empörung reagierten in Russland Medien, Politiker und Experten auf die Versuche der Staatsmacht, den zeitgleichen Absturz von zwei Flugzeugen mit 89 Toten als Unfälle darzustellen. «Das Volk hat das schnell kapiert. Trotz dergigantischen Bemühungen des Staatsfernsehens sind bei uns noch nicht alle verblödet», schimpfte die Boulevardzeitung «MoskowskiKomsomolez» am Donnerstag.
Die russische Öffentlichkeit ist sich im Widerspruch zurZurückhaltung von Kreml und Geheimdienst einig: Hinter denFlugzeugkatastrophen kann nur Terrorismus stehen. Der Zeitpunkt weist auf eine tschetschenische Spur hin, wenige Tage vor derPräsidentenwahl in der Krisenrepublik.
Offiziell gab es aber selbst eineinhalb Tage nach der Katastrophenur eine Erklärung der Ermittler, wonach in den Trümmern der beidenTupolews bislang keine Hinweise auf eine Explosion an Bord zu findenseien. Auch das Entführungsnotsignal aus einer der Tupolews wurde amDonnerstag von amtlicher Seite nicht kommentiert.
Weiterhin deuten die meisten Indizien auf Terrorakte hin. Das fastauf die Minute zeitgleiche Verschwinden der Flugzeuge vom Radar sowiedie über Kilometer verstreuten Wrackteile lassen auf eine geplanteZerstörung noch in der Luft schließen. Experten vermuteten, es könnteein schwer zu entdeckender Flüssig-Sprengstoff verwendet worden sein.
Die russischen Zeitungen bezweifeln, dass auf dem Abflughafen derbeiden Unglücksmaschinen, Domodedowo, in Sachen Sicherheit alles mitrechten Dingen zugeht. «Die Gepäckträger, Fahrer und Angestelltenbekommen schlechte Löhne. Sie lassen die Gelegenheit zu einemZusatzverdienst nicht aus und schmuggeln dafür alles Mögliche anBord», zitierte die Zeitung «Gaseta» einen nicht genannten Flughafen-Mitarbeiter.
Ein Techniker des Domodedowo-Flughafens, der eine der abgestürztenTupolews vor dem Abflug überprüft hatte, kritisierte dieArbeitsbedingungen. «Bei uns in Domodedowo untersucht nur jeweils einMann die Flugzeuge auf Sprengstoff. In der vorgeschriebenen Zeit von30 Minuten ist das nicht zu schaffen», berichtete der Mann in einerMoskauer Zeitung.
Korrespondenten des Blattes «Moskowski Komsomolez» berichteten,sie seien am Tag nach den Abstürzen trotz verstärkter Kontrollendurch einen Personalzugang auf das Rollfeld gelangt. Dort hätten siesich fast eine Stunde unbehelligt zwischen den Flugzeugenherumtreiben können. Experten kritisierten, auf den meistenrussischen Flughäfen seien die Kontrolleure wie zu Sowjetzeiten vorallem darauf bedacht, die illegale Ausfuhr von Devisen zu verhindern.
Die Zeitung «Iswestija» bot sogar einen Mathematiker auf, um dieUnfallversion zu widerlegen. Unter den gegebenen Umständen sei dieWahrscheinlichkeit eines doppelten technischen oder menschlichenVersagens eins zu einer Milliarde, hieß es.dpa sv xx sp 261401 Aug 04
