Flüchtlingsproblematik Flüchtlingsproblematik: Entwicklungshilfe ist kein Allheilmittel
Berlin - Es ist ohne jeden Zweifel ethisch geboten und richtig: Deutschland muss den Flüchtlingen helfen, die hunderttausendfach ins Land kommen. Doch das kostet Geld. Hinzu kommt, dass in jeder Hinsicht dringend mehr Unterstützung für die Flüchtlingslager in Syriens Nachbarstaaten benötigt wird. Wer die Brutalität des Kriegs in Syrien erahnen will, muss nur mal darüber nachdenken, dass von dort aus tatsächlich Menschen in den keineswegs friedlichen Irak fliehen.
Angesichts des Ansturms der Menschen wird gerade jetzt oft die Forderung erhoben, die Entwicklungshilfe auszubauen. Andererseits gilt: Der derzeitige Anstieg der Flüchtlingszahlen ist stark auf den Krieg in Syrien zurückzuführen, nicht zuallererst auf Armut. Die Not in großen Teilen Afrikas gab es schon vor 30 Jahren. Und es wird sie auch in 20 Jahren noch geben – trotz aller Entwicklungshilfe. Das klingt nicht nach gut angelegtem Geld oder einer Erfolgsgeschichte.
Es lässt sich also folgende – zugegebener Maßen provokative – Frage stellen: Sollen wir die Entwicklungshilfe kürzen, um Mittel für die Menschen freizusetzen, die nach Deutschland kommen?
Entwicklungshilfe ist geleitet von einer wunderbaren, ja hinreißenden Idee. Wir wenden uns den Armen dieser Welt zu, zeigen ihnen, wie sie ihre Felder besser nutzen können, und unterstützen sie bei der Gründung von Kooperativen für die Vermarktung ihrer Produkte. Bald brauchen sie unser Geld nicht mehr, weil sie ihr eigenes verdienen. Dafür gewinnen wir Handelspartner und Märkte mit zahlungsfähigen Konsumenten. Das Leid der Welt löst sich in Wohlgefallen auf.
Schön wär’s. Jeder, wirklich jeder, der schon mal Entwicklungsprojekte besucht und die Augen aufgemacht hat, weiß, wie viele Schwierigkeiten es gibt. Ja, dass dort gelegentlich mit öffentlichem Geld Dinge veranstaltet werden, die ungefähr so sehr an Irrsinn grenzen wie die Tatsache, dass in unserer globalisierten Welt in der Nordsee gefischte Krabben in Marokko gepult werden.
Was tun?
Da lässt sich der korrupte Beamte eines Landes, dem geholfen werden soll, erst einmal dafür bezahlen, dass er die Hilfe nicht behindert. Da lassen sich Menschen, denen eine Fortbildung zugutekommen soll, dort nur blicken, wenn sie ein üppiges Sitzungsgeld dafür erhalten. Und das zahlen manche Entwicklungshilfeorganisationen dann schon deshalb, weil Konkurrenzorganisationen eben auch zahlen.
Merke: Entwicklungshelfer wollen nicht nur helfen – sie müssen das auch tun. Sie leben nämlich davon. Wer glaubt, es ginge nur um ein paar Idealisten, die irgendwo mit ihrer Hände Arbeit Brunnen bohren, irrt. Entwicklungshilfe ist ein Milliardengeschäft. Und dann auch noch eines, bei dem nicht selten das Problem besteht, dass diejenigen, die Unterstützung erhalten, sich an diese gewöhnen, statt sie wirklich nur als eine Starthilfe zu sehen. Wenn eine Hand, die zur Hilfe gereicht wird, niemals losgelassen werden kann, läuft etwas grundfalsch.
Was also tun? Wer in afrikanischen Slums unterwegs war und dort alle drei Minuten gefragt wurde, ob er jemanden mit nach Deutschland nehmen kann, der weiß, wie überlebensgroß die Probleme dort sind. Wer die Bilder der Flüchtlinge gesehen hat, die tot an Mittelmeerstränden angeschwemmt werden, wer nicht verdrängt, dass er einfach nur Glück hatte, in den reichen Teil der Welt hineingeboren zu sein, kommt nicht umhin, helfen zu wollen.
Gute Hilfe ist jeden Euro wert
Es stellt sich also unweigerlich die Frage nach dem „Wie“ der Hilfe. Der Kampf gegen Armut ist ein verteufelt komplexes Problem. Es gibt so viele unterschiedliche Akteure, die wichtig sind, dass jeder immer einem anderen die Schuld zuweisen kann, wenn am Ende die gesetzten Ziele nicht erreicht werden. Afrikanische Regierungen beklagen, dass die Geberländer bis heute nicht das Versprechen einhalten, 0,7 Prozent des BIP in die Entwicklungshilfe zu investieren. Diese wiederum verweisen – wahrlich nicht zu Unrecht – auf Korruption, Miss- und Vetternwirtschaft in den Empfängerländern. Und erfahrene Entwicklungshelfer wissen, dass schon manches Projekt daran gescheitert ist, dass es vor Ort nicht die richtigen Partner gab.
Es führt also kein Weg vorbei an klaren Regeln. Jenseits von Nothilfe sollten nur Projekte gefördert werden, die wirklich nachhaltig sind. Wo also etwas entsteht, das später aus sich selbst heraus funktionieren kann. Der Kampf gegen Korruption darf kein Kampf der Lippenbekenntnisse sein. Auch in Afrika muss klar sein: „Good governance“ heißt nicht, dass die Regierung es sich selbst gut gehen lässt, sondern dass sie etwas für die Bevölkerung tut.
Gleichzeitig gilt: Gute Entwicklungsprojekte sind jeden einzelnen Euro wert. Kriege lassen sich von außen oft nicht verhindern. Bei Armut stehen die Chancen besser. Wer Armut dort, wo es geht, bekämpft, der erschwert nicht nur kriminellen Schleusern das Handwerk. Sondern er leistet auch einen wichtigen Beitrag dazu, dass denen, die vor Krieg und Terror fliehen, umso besser geholfen werden kann.