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Flüchtlinge in Deutschland Flüchtlinge in Deutschland: So profitieren Unternehmen legal von der Flüchtlingskrise

Von Steven Geyer 03.09.2015, 06:55
Ob Baracken, Betten oder mobile Toiletten: Helfer sind auf deren Bereitstellung angewiesen.
Ob Baracken, Betten oder mobile Toiletten: Helfer sind auf deren Bereitstellung angewiesen. dpa Lizenz

Berlin - Wie es läuft? „Inzwischen sehr gut“, sagt Markus Gildner. So gut sogar, dass die Flüchtlinge früher als geplant in seine Objekte einziehen können. Schon Anfang Dezember sollen nun 60 Asylsuchende in sechs eigens dafür gebauten Reihenhäusern unterkommen. Gerade sind die Handwerker beim Innenausbau, draußen wird der Außenputz aufgetragen. Farbig sogar.

Doch Gildner ist weder städtischer Beamter, noch barmherziger Samariter. Er ist Geschäftsmann, Bau- und Immobilienbranche. Und er scheut sich nicht, von einer Flüchtlingsindustrie zu sprechen, die in Deutschland entstehe und mit Traumrenditen von 20 Prozent pro Jahr locke. „Das zieht auch unseriöse Glücksritter an“, sagt Gildner. Er habe selbst gesehen, wen die Gemeinden angesichts des aktuellen Mangels an Notunterkünften zu Betreibern von Asylheimen machen: „Leute, die vorher Autos verkauften oder sowas, und die jetzt aufs schnelle Geld hoffen.“

Sein Reihenhausprojekt für Flüchtlinge, das er im mittelfränkischen Eckental als The People“s Project auf die Beine stellt, soll zeigen, dass es auch anders geht: Für zwei Millionen Euro kaufte er das Grundstück und baute die Häuser, der Bezirk ging einen Mietvertrag über mehrere Jahre mit ihm ein, um Flüchtlinge „dezentral unterzubringen“, die Aussicht auf Asyl oder Duldung haben.

Den Reibach mache er damit nicht, sagt er. „Mit normaler Vermietung würde ich mehr Gewinn machen.“ Zwar zahle der Bezirk neben der ortsüblichen Miete einen Aufschlag, aber durch die Fluktuation sei auch der Verschleiß viel höher. Er wolle aber zeigen, dass er Häuser bauen könne, die die Nachfrage nach günstigem Wohnraum bedienen und doch Qualität bieten. Den Vorwurf, ein Geschäftemacher der Asylindustrie zu sein, hat Gildner dennoch gehört – von Anwohnern, die keine Flüchtlinge in der Nachbarschaft wollten. Doch während er sich dagegen verwahrt, wird der Vorwurf anderen Unternehmen auch von unverdächtiger Seite gemacht. „Im Moment ist der Mangel an Wohnraum für Flüchtlinge so groß“, sagt etwa der Vizechef von Pro Asyl, Bernd Mesovic, dieser Zeitung, „dass die Landkreise froh über jeden privaten Anbieter sind.“ Längst hört man immer wieder, dass Behörden in ihrer Not auf die vorgeschriebenen Ausschreibungen verzichten und Anbieter direkt anrufen – seien es Hersteller von Wohncontainern, die so knapp sind, dass sie in aller Welt eingekauft werden; seien es Besitzer von leeren Pensionen oder Hallen. Über Preise wird kurz verhandelt – der Mangel lässt sie ohnehin seit Monaten steigen.

„Aus den 90ern weiß man, dass so schnell ein korrupter Markt entstehen kann“, sagt Mesovic von Pro Asyl. Als langfristige Lösung müsse daher schnellstens ein neues Programm für sozialen Wohnungsbau aufgelegt werden. Kurzfristig sollten die Kommunen die Niedrigzinsen nutzen und ihre Wohnungsgenossenschaft selbst zum Bau oder Kauf von Immobilien einsetzen – der Bedarf an günstigem Wohnraum steige sowieso.

Derzeit läuft es aber noch anders – so dass eben ganz andere von den Flüchtlingszahlen profitieren. Und zwar, im Gegensatz zu den Schleusern, die derzeit Millionengewinne einfahren, ganz legal.

Gratis-Sim-Karten für Flüchtlinge

Dabei sind die findigen Firmen, die sich auf den akuten Bedarf eintreffender Flüchtlinge einstellen, noch kleine Fische: Der britische Telefonkonzern Lycamobile etwa empfängt Ankommende schon an den EU-Grenzen mit Gratis-Sim-Karten für ihre Handys. Die Flüchtlinge sind auf Telefon und Internet angewiesen – die Gebühren fließen an Lycamobile. Auch Finanzdienstleister wie Western Union profitieren: Sie bieten die Möglichkeit, sich auch ohne Bankkonto Geld für die Flucht schicken zu lassen – gegen saftige Gebühren.

Brisanter ist aber, dass etliche Bundesländer auch den Betrieb von Heimen in Privathand geben. Grundsätzlich gibt es dafür zwei Modelle: Entweder mieten die Kreise normal an – besonders bei dezentraler Unterbringung wie beim fränkischen People“s Projekt. Dann zahlen sie ortsübliche Preise, die aber ebenfalls klettern. Oder sie gehen mit Privatfirmen „Beherbergungsverträge“ ein: Dann zahlen sie Kopfpauschalen bis zu 30 Euro pro Flüchtling. Da die Verträge ausgeschrieben werden müssen, erhält meist der billigste Anbieter den Zuschlag.

Weil der aber auch bei niedrigen Pauschalen – in Sachsen teils nur 6,50 Euro – verdienen muss, spart er oft, wo er kann: am Essen, den Gebäuden, der Sicherheit. Heim-Tüvs stellen nicht selten Schimmel, Schädlinge und Bauschäden fest. Wozu fehlendes oder schlechtes Wachpersonal führen kann, wurde vorigen Herbst öffentlich: Fotos zeigten Wachmänner, die in Burbacher und Essener Heimen Flüchtlinge misshandelten. Beide wurden von „European Homecare“ betrieben. Die Essener Firma ist der Marktführer der Branche, hält bundesweit rund 50 Asylheime am Laufen, setzt Millionen um – und bekam auch nach dem Skandal weitere Aufträge.