Flüchtlinge Flüchtlinge: Amnesty International kritisiert deutsche Asylpolitik

Berlin - Eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle im sächsischen Clausnitz fordert Amnesty International. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Polizei verängstigte Flüchtlinge aus einem Bus zerre und anschließend gegen sie ermittle, sagte die Generalsekretärin der deutschen Sektion der internationalen Menschenrechtsorganisation, Selmin Caliskan, am Dienstag in Berlin. Rassismus sei nicht nur in Sachsen viel zu lange verharmlost worden. Er sei „ein bundesweites Problem“.
Caliskan nutzte die Vorstellung des jüngsten Jahresberichts ihrer Organisation zu einer scharfen Kritik an der aktuellen Asylpolitik der Bundesregierung. Die Bereitschaft 2015 rund eine Million Flüchtlinge aufzunehmen sei ein großer Beitrag gewesen, um Notleidenden zu helfen, sagte Çalışkan. „Doch diese flüchtlingsfreundliche Haltung der Bundesregierung gibt es nicht mehr.“ Das zeige sich an ihren Asylpaketen und am Umgang mit der Türkei. Die Regierung des Landes, auf das Merkel als strategischen Partner setze, um die Zahl der Flüchtlinge in Europa zu verringern, verletzte „regelmäßig die Menschenrechte“. Das müsse die Bundesregierung ansprechen, wenn sie mit Ankara verhandle.
Amnesty: Bundesregierung soll Plan fallen lassen
Amnesty forderte die Bundesregierung ihren Plan fallen zu lassen, Marokko, Tunesien und Algerien zu „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären, in die Flüchtlinge nach einem vereinfachten Verfahren abgeschoben werden können. Das Gesetzesvorhaben verstoße nicht nur „gegen das Grundrecht jedes Menschen, Asyl zu suchen, sondern auch gegen die eigenen verfassungsrechtlichen Kriterien zur Bestimmung“ solcher Staaten. Denn in den drei nordafrikanischen Ländern gebe es „schwerwiegende menschenrechtliche Probleme, wie Folter durch Polizisten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und Schikane von Menschenrechtsverteidigern“.
Der Amnesty-Bericht für 2015 stellt auch Afghanistan kein gutes Zeugnis aus. Dorthin will die Bundesregierung Asylbewerber abschieben, weil Teile des Landes als sicher einzustufen seien. „Im ganzen Land“ habe sich die Sicherheitslage massiv verschlechtert. Die meisten Menschen, die vor den vorrückenden Taliban in vermeintlich sichere Landesteile die Flucht ergriffen „erhielten keinerlei humanitäre Hilfe seitens der Behörden“, kritisiert die Organisation. Für Gewalt gegen Frauen herrsche „weiterhin ein Klima der Straflosigkeit“.
Die Weltgemeinschaft hat versagt
Nach Meinung von Amnesty hat die Weltgemeinschaft im vorigen Jahr dabei versagt, Lösungen für ihre größten Krisen zu finden. Dazu zählten der Konflikt in Syrien und das Leid von weltweit mehr als 60 Millionen Flüchtenden. Der Grund liege „in einer Kontinuität des Wegschauens und einer egoistischen Fokussierung auf nationale Interessen“, sagte Çalışkan. So habe sich in Syrien ein grausamer Konflikt entwickeln können, der inzwischen eine Viertel Million Menschen das Leben gekostet habe. Mehr als die Hälfte der rund 23 Millionen Einwohner des Landes sei aus ihrer Heimat vertrieben worden.
Besorgt schaut die Organisation aber auch nach Europa. Die EU brauche „endlich eine Strategie für eine Menschenrechtspolitik im Inneren“, forderte Çalışkan. Sie müsse die Lage der Menschenrechte in ihren Mitgliedsstaaten genau beobachten, um so schnell wie möglich reagieren zu können. In Polen bedrohten Gesetze der neuen Regierung Meinungsfreiheit und Gewaltenteilung. Ungarn nehme keine Flüchtlinge mehr auf. Amnesty International begrüße, dass die Gemeinschaft rechtliche Schritte gegen beide Länder eingeleitet habe.