Wortwahl in der Flüchtlingsdebatte Flüchtling? Migrant? Einwanderer? - die Wortwahl in der Flüchtlingsdebatte

Berlin - Mit der Wortwahl in der Flüchtlingsdebatte ist es so eine Sache. Da nutzt manch einer gezielt Metaphern wie „Asyl-Lawine“ oder „Flüchtlingswelle“, um Ängste zu schüren. Da trifft Behördendeutsch auf menschliche Schicksale. Aber oft geht es auch einfach nur wild durcheinander mit den Begrifflichkeiten.
„Es ist selbst in Fachkreisen schwierig, die Begriffe klar zu trennen“, sagt Thomas Liebig, Migrationsexperte bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). „Dabei ist es sehr wichtig für die Debatte und die Akzeptanz des Asylsystems, dass nicht alles in einen Topf geworfen wird.“
„Oft werden Begriffe benutzt, um Politik zu legitimieren“
Der Geschäftsführer der Organisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, klagt: „Oft werden Begriffe benutzt, um Politik zu legitimieren.“ Auf EU-Ebene zum Beispiel sei in der Debatte viel von Migranten die Rede, weniger von Flüchtlingen. „Da schwingt dann die Deutung mit, dass diese Menschen nicht aus politischen Gründen ihre Heimat verlassen.“
Aber was ist der Unterschied? „Flüchtlinge sind eine Untergruppe der Migranten“, erklärt Liebig. „Das lässt sich nicht synonym verwenden.“ Offizielle Stellen - wie eben die OECD oder auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) - definieren Migranten als all jene, die ihre Heimat verlassen und an einen anderen Ort ziehen, meist in einen anderen Staat. Das kann die Frau aus der Türkei sein, die ihrem Ehemann in die Bundesrepublik hinterherzieht, der IT-Experte aus Indien, der in Deutschland arbeitet, der junge Spanier, der nach Berlin kommt, um sich dort nach einem Job umzusehen. Es kann aber auch der Syrer sein, der vor Bomben in Aleppo flüchtet. Es gibt also verschiedene Arten von Migration: Familiennachzug, Arbeitsmigration, EU-Freizügigkeit - und eben Flucht.
Es gibt dabei aber zwei wichtige Unterschiede zwischen Asyl und zum Beispiel Arbeitsmigration. Das Recht auf Asyl ist ein unverrückbares Grundrecht. Ob der Asylbewerber aus Syrien in Deutschland bleiben darf, hängt alleine von der Verfolgung in seiner Heimat ab und nicht von anderen Faktoren wie Ausbildung, Job oder Sprachkenntnissen. Bei dem IT-Experten aus Indien, der in Deutschland arbeiten will, ist das anders. Der Staat kann diese Art der Zuwanderung begrenzen und etwa verlangen, dass jemand einen Arbeitsvertrag oder ein Mindestgehalt vorweist. Und: Das Asylsystem ist von der Arbeitsmigration strikt getrennt. Wer in Deutschland einen Asylantrag stellt, kann nicht einfach aus dem Verfahren ausscheren und ein Arbeitsvisum beantragen.
Kluft zwischen offiziellen Definitionen und dem allgemeinen Sprachgefühl
Was es schwer macht in der Debatte, ist auch die Kluft zwischen offiziellen Definitionen und dem allgemeinen Sprachgefühl. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird Migration zum Beispiel nicht unbedingt als Oberbegriff verstanden, der auch Flucht umfasst. Hier werden Migranten oft begriffen als jene, die aus freien Stücken ihr Heimatland verlassen, zum Beispiel aus wirtschaftlichen Gründen.
Auch beim Begriff Flüchtlinge gibt es dies Problem: Rein rechtlich sind das nur jene, die nach einem erfolgreichen Asylverfahren Schutz nach Genfer Flüchtlingskonvention bekommen. Umgangssprachlich werden als Flüchtlinge aber oft alle bezeichnet, die aus der Heimat fliehen, unabhängig von den Gründen oder Asylchancen. Manch einer spricht daher bei dieser großen Gruppe bewusst von „Schutzsuchenden“ oder „Geflüchteten“, um die rechtlichen Feinheiten zu umgehen. (dpa)