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Fernsehen und DDR-Biografie Fernsehen und DDR-Biografie: Hagen Boßdorf will gegen Vertragsauflösung klagen

14.12.2005, 19:07
Die TV-Kommentatoren Hagen Boßdorf (l.) und Herbert Watterott (r.) berichten mit Erik Zabel vom Ende der 17. Etappe der Tour de France in Revel im Juli 2005. (Archivfoto: dpa)
Die TV-Kommentatoren Hagen Boßdorf (l.) und Herbert Watterott (r.) berichten mit Erik Zabel vom Ende der 17. Etappe der Tour de France in Revel im Juli 2005. (Archivfoto: dpa) EPA

Hamburg/dpa. - ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf (41) will die Auflösung seines Vertrags als NDR-Sportchef nicht hinnehmen und gegen den Beschluss des Verwaltungsrats vor Gericht ziehen. «Ich habe niemanden ausspioniert. Ich habe niemandem geschadet. Außer letztlich mir selbst», sagte Boßdorf der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Sein Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel betonte am Mittwoch, Boßdorf werde die gerichtliche Auseinandersetzung für den Nachweis nutzen, «dass erzu keinem Zeitpunkt IM der Staatssicherheit der DDR war.»

Die Begründung, mit der der NDR-Verwaltungsrat die Auflösung von Boßdorfs Vertrag beschlossen hatte, sei «in der deutschen Rechtsordnung nicht vorgesehen». Boßdorf sollte zum 1. März 2006 Nachfolger von Gerhard Delling (46) werden.

Für die ARD hat der NDR-Beschluss zunächst keine unmittelbarenFolgen. ARD-Programmdirektor Günter Struve äußerte sich am Mittwoch in München «erstaunt» über die «Restzweifel» beim NDR-Verwaltungsrat und über den Auflösungsbeschluss - «zumal Herr Boßdorf keine Gelegenheit hatte, persönlich vor dem Gremium diese Restzweifel auszuräumen». Er werde sich dafür einsetzen, dass Boßdorf ARD-Sportkoordinator bleibt, erklärte Struve.

Nach Aussage des ARD-Vorsitzenden Thomas Gruber hat die NDR-Entscheidung «keine präjudizierende Wirkung auf ARD-Ebene». Erkündigte eine eigene ARD-Prüfung des Falles an, bei der unabhängigeExperten zu Rate gezogen werden sollen. Boßdorf habe seine fachlicheEignung in den vergangenen 13 Jahren innerhalb der ARD erfolgreichnachgewiesen. «Zweifel allein rechtfertigen noch keine personellenKonsequenzen», betonte Gruber.

Der NDR-Verwaltungsrat, der den Vertrag mit Boßdorf am 28. Oktobergebilligt hatte, beriet am Dienstagabend auf der Grundlage neuerUnterlagen, die die Birthler-Behörde am 6. Dezember nachgereichthatte. In diesen wie auch in den zuvor an den Sender übermitteltenAkten sieht die Behörde deutliche Hinweise auf eine TätigkeitBoßdorfs als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) «Florian Werfer» für dieDDR-Staatssicherheit in den Jahren 1988 und 1989. Boßdorf selbstsagte, er habe sich seinerzeit «auf diese Gespräche mit derStaatssicherheit eingelassen. Aber ich habe ganz bewusst keineVerpflichtungserklärung unterschrieben.» Nach eigener Darstellung warBoßdorf am Dienstag nach Hamburg gefahren, aber nicht vom NDR-Verwaltungsrat angehört worden.

Nach der Sitzung des Verwaltungsrats sagte die VorsitzendeRosemarie Wilcken, die Aktenlage sei «zunächst nicht eindeutig»gewesen. «Und auch jetzt ist eine abschließende Beurteilungschwierig. Da aber nicht alle Zweifel ausgeräumt werden konnten, istdie erforderliche Vertrauensbasis für eine künftige Zusammenarbeitleider nicht gegeben.»

Boßdorf setzt auf eine einvernehmliche Lösung des Konfliktes. «Ichgehe davon aus, dass es noch keine endgültige Entscheidung gibt»,sagte er in dem Zeitungsinterview. Schließlich wolle er weiterhin alsJournalist tätig sein. Diestel sagte, wenn die im Fall Boßdorfangewandte Praxis um sich greife, ließen sich mit der gleichenBegründung «sämtliche ostdeutschen Biografien zerstören, da dasMinisterium für Staatssicherheit seinerzeit den Anspruch der"flächendeckenden Tätigkeit" hatte und diesen auch erfüllte». DieStasi-Akten über Boßdorf seien ohne dessen Kenntnis oder Zustimmungangelegt worden.