Fernsehen Fernsehen: Dagobert Lindlau saß häufig zwischen allen Stühlen

München/dpa. - Mit seinen Sendungen hat Dagobert Lindlau Spannung und Spannungen, Zustimmung und Widerspruch ausgelöst. «Programmedieser Art sind das würzende Salz», lobte der frühere Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR), Albert Scharf, die Arbeit des ehemaligen BR-Chefreporters. «Auch wenn das Salz, so es in offene Wunden gerät, gelegentlich schmerzt.» Der gebürtige Münchner, der am Dienstag (11. Oktober) seinen 75. Geburtstag feiert, gilt als Urgestein des kritisch-engagierten Fernseh-Journalismus.
Häufig lösten seine Reportagen kontroverse Diskussionen aus, wieauch sein Buch «Der Mob - Recherchen zum Organisierten Verbrechen» (1987). Seine Berichte über die Methoden der Schutzgelderpressung, des Rauschgifthandels und der Erschließung der Bundesrepublik für diese Kriminalität wurden von Politikern als Hirngespinste abgetan, aber von Fachleuten bestätigt. Lindlau avancierte zum «Mafia-Experten». In seinem Buch «Der Lohnkiller» (1992) knüpft er an den Fall des bezahlten Hamburger Killers Werner Pinzner an, und auch in einem seiner jüngsten Werke befasst er sich mit dem Hamburger Milieu.
Der Roman «Straglers Woche» (1997) sowie die mit großem Erfolggezeigte Bühnenfassung «St. Pauli Saga» beschreibt den Aufstieg einesZuhälters zum prominenten Geschäftsmann und heimlichen Drahtzieherder Politik. Weniger Glück hatte Lindlau mit der Uraufführung seineszweiten Theaterstücks «Krähenplage» (2001). Der Autor distanziertesich von der Augsburger Inszenierung, die «furchtbar» gewesen sei.Die Politsatire befasst sich mit einem typischen Lindlau-Thema -Intrigen in der Politik. «Demokratie ist der Sieg der Mehrheit überdie Vernunft», lässt Lindlau zum Beispiel einen seiner Protagonistensagen.
Lindlau begann seine Journalisten-Karriere 1954 beim BayerischenRundfunk und wurde dort nach elf Jahren Chefreporter. Bis in die 80erJahre war er als Moderator und Leiter verschiedener Magazinsendungenwie «Report», «Weltspiegel» oder der beliebten Talkshow «III nachneun» von Radio Bremen tätig. Von seinem Auslandskorrespondenten-Posten in Wien kehrte Lindlau 1990 als Chefreporter zum BayerischenRundfunk zurück. Drei Mal erhielt er den Adolf-Grimme-Preis für seine«couragiert-kompetenten Kommentare» und seine «imponierenden Beiträgezur Gesprächskultur im Fernsehen».
Heute lebt der passionierte Sportschütze und Bridgespieler, dervor einiger Zeit auch mit dem Golfspielen begonnen hat, fernab vomaktuellen Mediengeschäft. Zwischen Talkrunden, Gameshows und seichtenSpielfilmen sei kein Platz mehr für lange und gut recherchierteFernsehreportagen, sagt Lindlau, der sich mit seiner politischenUnabhängigkeit häufig zwischen allen Stühlen wiederfand. «Das istauch schmerzlich gewesen. Aber eigentlich ist es der beste Platz füreinen Journalisten», sagt Lindlau, dessen jüngstes Werk «Eine ArtBeruf» im Frühjahr 2006 bei Piper erscheint und aus dem «vollenJournalistenleben» schöpft.