Feierliche Grenzöffnung nach Osteuropa
Zittau/dpa. - Freie Fahrt von Finnland bis Italien, von Portugal bis zum Baltikum: Europa ist durch den Wegfall der Grenzkontrollen in neun weiteren Staaten wieder ein Stück enger zusammengewachsen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte die Erweiterung der Schengen-Zone nach Mittel- und Osteuropa am Freitag als «historischen Moment». Damit hätten nun die Bürger in 24 europäischen Staaten «freie Fahrt», sagte Merkel beim zentralen Festakt im sächsischen Zittau. «Wir können heute das erleben, von dem unsere Eltern geträumt haben.»
Das Schengen-Abkommen - benannt nach dem luxemburgischen Ort, wo es 1985 erstmals unterzeichnet wurde - gilt nun in 22 EU-Staaten sowie in Island und Norwegen. Neu dabei sind die deutschen Nachbarn Polen und Tschechien sowie Malta, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Slowenien und die Slowakei. Überall dort können Touristen und Geschäftsleute nun ohne Ausweiskontrollen ein- und ausreisen. Allerdings gilt für Flugreisen in die neuen Schengen-Staaten noch eine Übergangsfrist bis Ende März.
Der polnische Regierungschef Donald Tusk sprach von einem «Triumph der Freiheit», als in Zittau feierlich die Schlagbäume entfernt wurden. «Jetzt ist es gelungen, auch die schwierigste Grenze zu überwinden: die der Angst und der Furcht.» Als Symbol der Grenzöffnung überreichte Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ein ausrangiertes Zollschild. Später zersägte Tusk mit seinem tschechischen Kollegen Mirek Topolánek einen Schlagbaum am Grenzübergang Hradek zwischen Tschechien und Polen.
Der Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), sagte, das Dreiländereck Deutschland, Polen, Tschechien stehe für eine oftmals von Kriegen geprägte Geschichte. «Heute ziehen wir einen Schlussstrich unter diese Geschichte der Trennung.» Dem schloss sich später auch Topolánek bei einem Festakt im bayerischen Philippsreut an. «Wir reißen die letzten Barrieren nieder, die uns getrennt haben», sagte er.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies Befürchtungen über eine zunehmende Kriminalität nach der Grenzöffnung zurück. «Das, was wir bisher an stationären Grenzkontrollen hatten, hat ja mehr Staus verursacht, als dass die professionellen Verbrecher abgehalten wurden», sagte er im RBB-Inforadio. Der Gewerkschaft der Polizei (GdP) kommt die Grenzöffnung zu früh. Bislang stehe das geplante Fahndungssystem der Schengen-Staaten noch nicht, sagte GdP-Chef Konrad Freiberg im Südwestrundfunk. Außerdem hätten polnische und deutsche Polizisten wegen verschiedener Funksysteme noch Kommunikationsprobleme.
Entlang von Oder und Neiße feierten mehrere tausend Menschen in der Nacht zu Freitag den Wegfall der Kontrollen mit Feuerwerken und Musik. Allein am Grenzübergang in Frankfurt (Oder) versammelten sich rund 5000 Menschen an Ständen mit Sekt und heißen Getränken. «Es ist ein bisschen wie beim Mauerfall», sagte ein 42-Jähriger.
Auch an den Grenzübergängen der baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland wurde kräftig gefeiert. Am ungarisch- österreichischen Grenzübergang Hegyeshalom-Nickelsdorf winkten Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany und Bundeskanzler Alfred Gusenbauer persönlich die ankommenden Autofahrer durch. Feiern gab es auch an den Grenzübergängen zwischen Österreich und Slowenien und zwischen dem italienischen Friaul und Slowenien, wo Bürger der seit Jahrzehnten durch Grenzen getrennten Stadt Gorizia die Wiedervereinigung zelebrierten.
18 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gilt das Schengen- Abkommen nun fast in der gesamten Europäischen Union. Ausnahmen sind Großbritannien und Irland sowie Rumänien, Bulgarien und Zypern. Der deutsche Nachbar Schweiz will von November nächsten Jahres an in der Schengen-Gruppe dabei sein.