Familiennachzug Familiennachzug: Soziale Organisationen kritisieren Einigung von SPD und Union

Berlin - Union und SPD haben sich auf Grundzüge bei der Regelung des Familiennachzugs von Flüchtlingen geeinigt – und damit die Hindernisse auf dem Weg in die große Koalition zumindest verringert.
Doch Kinder- und Menschenrechtsorganisationen, Flüchtlings- und Sozialverbände üben harte Kritik an dem Kompromiss der Parteien.
Mit der Einigung werde das Zusammenleben und die Integration vieler Flüchtlinge für viele weitere Jahre verhindert, kritisierte der Vorstandssprecher von „Terre des hommes“, Jörg Angerstein.
„Anstatt Integration zu fördern, werden die Rechte von Flüchtlingskindern systematisch missachtet und den Interessen einer Regierungsbildung geopfert“, sagte er.
Worum geht es? Die Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit subsidiärem, also eingeschränktem Schutzstatus wird zunächst bis Ende Juli verlängert. Das soll bereits am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden.
In der Frage herrschte Zeitdruck, weil die bisherige Regelung zur Aussetzung des Familiennachzugs befristet ist und Mitte März ausgelaufen wäre.
Bis Ende Juli will die große Koalition dann ein Gesetz auf den Weg gebracht haben, das den Familiennachzug künftig regelt.
In den Sondierungsgesprächen hatten sich CDU, CSU und SPD bereits darauf verständigt, dass in Deutschland lebende Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz insgesamt künftig 1000 Familienmitglieder im Monat nachholen dürfen.
„Zehntausenden wird der Familiennachzug verweigert“
Kritiker halten dies für viel zu wenig. Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sagte, im Klartext handele es sich um eine Obergrenze. Sie bedeute, „dass Zehntausenden von Menschen der Familiennachzug verweigert wird“, sagte er.
Union und SPD haben sich jetzt darauf geeinigt, dass zusätzlich noch eine Härtefallregelung gelten soll.
Bei subsidiär geschützten Flüchtlingen handelt es sich vor allem um Menschen aus Syrien. Viele von ihnen wurden in Deutschland zuletzt nicht auf Grundlage der Genfer Konvention anerkannt, da diese nicht pauschal für alle Kriegsflüchtlinge gilt, sondern nur, wenn Menschen aus bestimmten Gründen verfolgt werden, darunter Rasse, Religion und politische Überzeugung.
SPD-Chef Martin Schulz hatte den Delegierten auf dem Parteitag in Bonn nach den Sondierungen mit Union versprochen, es werde noch eine Härtefallregelung für den Familiennachzug geben.
Eine solche Regelung gibt es auch derzeit, sie fand sich allerdings nicht im gemeinsamen Sondierungspapier von Union und SPD.
Härtefallklausel auf Drängen der SPD
Dabei geht es nicht ausdrücklich um Familiennachzug, sondern um alle möglichen Formen der Zuwanderung. Im Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes heißt es: „Einem Ausländer kann für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.“
Als Union und SPD vor zwei Jahren entschieden, den Familiennachzug für subsidiär Geschützte zwei Jahre lang auszusetzen, vereinbarten sie auf Drängen der SPD, dass diese Härtefallklausel für subsidiär Geschützte mit Blick auf Kindeswohl-Fragen besonders berücksichtigt werden soll - aber eben nur in besonders dringlichen Fällen.
Darüber hinaus regelt Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes, dass Bundesländer aus humanitären Gründen zusätzlich Flüchtlinge aufnehmen können. Auch das war nach Ansicht von Asylexperten nur sehr begrenzt erfolgreich.
Jetzt ist klar: Auf Druck der SPD soll auch künftig eine Härtefallregelung beim Familiennachzug von subsidiär Geschützten gelten. Klar ist aber auch: Im Jahr 2017 wurde nur einigen Dutzend subsidiär Geschützten auf Basis der Härtefallregelung der Familiennachzug erlaubt.
So fällt die Bewertung auf Seiten der SPD durchaus ambivalent aus. Die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Eva Högl, sprach von einer „guten Einigung“. Vize-Parteichef Ralf Stegner, sprach hingegen lediglich von einer „ersten Einigung“.
Die genaue Ausgestaltung der Neuregelung ab 1. August sei noch Sache der weiteren Verhandlungen mit der Union in den kommenden Tagen.
Die Union begrüßte den Kompromiss. Insbesondere die CSU versuchte Deutungshoheit über die Einigung zu erlangen, indem sie herausstellte, generell werde den Familiennachzug begrenzt.
„Die CSU hält Wort“, sagte Generalsekretär Andreas Scheuer. Es gebe „kein Mehr an Zuwanderung“.
Der Streit wird trotz Kompromiss bleiben
Damit ist absehbar, dass Union und SPD weiter über den Familiennachzug streiten werden. Die Übergangsregelung bis Ende Juli werden sie am Donnerstag trotzdem gemeinsam auf den Weg bringen.
Grüne und Linke werden ebenfalls Gesetzesentwürfe einbringen, die beide fordern, den Familiennachzug sofort und ohne Einschränkungen wieder zuzulassen.
Die FDP wiederum verlangt in einem eigenen Gesetzesentwurf, ihn für weitere zwei Jahre auszusetzen. Die AfD will keinerlei Nachzug von Familienangehörigen erlauben.