Flüchtlinge Familiennachzug bei Flüchtlingen: CSU ist nur in Härtefällen zu Kompromiss bereit

Berlin - Noch haben die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD über die Bildung einer weiteren großen Koalition noch gar nicht begonnen, doch über ein Thema wird bereits wieder heftig gestritten. Vor allem die CSU, die im nächsten Jahr Landtagswahlen zu bestreiten hat, will beim Familiennachzug für Flüchtlinge mit sogenanntem subsidiärem, also eingeschränkten Schutz keinesfalls nachgeben. Vor knapp zwei Jahren hatten SPD und Union beschlossen, ihn für diese Gruppe von Kriegsflüchtlingen, meist aus dem Irak und Syrien, bis Mitte März 2018 auszusetzen, die Regelung läuft also zu einem Zeitpunkt aus, zu dem es sehr wahrscheinlich noch keine neue Regierung geben wird. Geht es nach der SPD, wird sie nicht verlängert.
CSU-Chef Horst Seehofer gab schon Anfang Dezember seinerseits die Richtung für die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten vor. Kurz zuvor waren die Gespräche über das erste Jamaika-Bündnis auf Bundesebene geplatzt, auch dort war der Familiennachzug eines der großen Streitthemen. Er könne sich keine Einigung mit der SPD vorstellen, wenn der Familiennachzug wieder möglich werde, erklärte Seehofer. „Das wäre eine so massive Zuwanderung, dass die Integrationsfähigkeit Deutschlands total überfordert wäre.“ Diese harte Linie ist allerdings auch in der Union nicht unumstritten, zumal sich CDU und CSU, die das Wort christlich im Namen tragen, immer wieder von Kirchenvertretern scharfe Kritik bei dem Stichwort anhören müssen.
Armin Laschet fordert Union zu Kompromissbereitschaft auf
Armin Laschet, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und Mitglied des Sondierungsteams der Union, brachte nun Bewegung in die Diskussion, indem er CDU und CSU zu mehr Kompromissbereitschaft aufforderte. Der CDU-Politiker plädiert für einen „behutsamen Ausgleich“ zwischen der Begrenzung von Zuwanderung und humanitären Härtefällen. Außerdem regt er an, in Fällen, in denen Flüchtlinge hier eine Wohnung und Arbeit hätten, den Nachzug von Angehörigen ebenfalls zu erlauben.
Grundlage könnte ein Gerichtsurteil sein, das bereits Anfang November ergangen war und dieser Zeitung vorliegt. In dem Verfahren vor dem Berliner Verwaltungsgericht ging es um einen mittlerweile 16-jährigen Jungen aus Syrien, der 2015 mit einem älteren Cousin nach Deutschland gekommen war. Auch er bekam nur subsidiären, also eingeschränkten Schutz zugebilligt und darf deshalb selbst als Minderjähriger seine Eltern und seine Geschwister nicht nachholen. Ein Vormund des Jungen hatte vergeblich zwei Jahre lang versucht, eine Härtefallregelung beim Auswärtigen Amt zu erwirken, weil der Junge schwer traumatisiert ist, war damit aber gescheitert. Das AA erteilt die Visa für die Angehörigen, auch in solchen Härtefällen. Bis die Anträge bewilligt sind, vergehen oft Monate, manchmal Jahre. In diesem Jahr hat das AA lediglich in 96 Fällen Visa erteilt.
Die Sache ging schließlich vor Gericht, wie viele andere solche Fälle auch. Die Richter hatten zwar grundsätzlich nichts auszusetzen an der Aussetzung des Familiennachzugs, sahen aber im konkreten Fall im Verhalten des AA einen schweren Verstoß gegen das Kindeswohl und verpflichteten das Ministerium dazu, den Nachzug der Familie zu ermöglichen. Rechtskräftig wurde das Urteil aber nun nur, weil das AA seine bereits eingereichte Berufung kurz vor Weihnachten zurückgezogen hat.
Ralf Stegner kontert Armin Laschet
Die Reaktionen auf Laschets Vorstoß ließen nicht lange auf sich warten. SPD-Vize Ralf Stegner tat ihn als „Sprachgirlanden“ ab, vielmehr müssten das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention unmissverständlich geachtet werden. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl kritisieren, dass Laschet den Nachzug mit Job und Wohnung verknüpfen will. „Dieser Kompromiss ist keiner“, sagt Geschäftsführer Günter Burkhardt.
In der CSU wiederum hält man am Grundsatz fest. Der bayrische Innenminister Joachim Herrmann bekräftigte, dass seine Partei an dem Ziel festhalten werde, den Familiennachzug weiter auszusetzen. Über bestimmte Härtefälle könne man reden, sagte er der Süddeutschen Zeitung, aber nur, wenn die vereinbarte Obergrenze von 200.000 Zuwanderern im Jahr nicht überschritten werde. Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer zeigte sich offen, die Härtefallregelung in bestimmten Fällen auszuweiten, am Grundsatz hält aber auch er fest.
Wieviele Menschen, die nur subsidiären Schutz haben, tatsächlich Familienmitglieder nachholen könnten, ist umstritten. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat berechnet, dass es um rund 60.000 Menschen geht, eine Zahl, die auch die Internationale Organisation für Migration für realistisch hält. Integrationsexperten warnen immer wieder davor, welch schwerwiegenden Folgen es hat, wenn Geflüchtete hier in Angst und Einsamkeit leben. Auch der Deutsche Städtetag weiß um die Bedeutung des Familiennachzugs. Sein neuer Präsident, der Münsteraner Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU, verlangte am Donnerstag von der Politik eine „kluge Lösung“.