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Fall Edathy Fall Edathy: Merkel spricht Gabriel Vertrauen aus

17.02.2014, 11:15

Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht die Arbeitsfähigkeit der Koalition nicht durch den Fall Edathy beeinträchtigt. Merkel habe „das Vertrauen, dass diese Koalition, diese Regierung in der Lage sein wird, sich den großen Themen anzunehmen im Interesse der Bürger“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Außerdem habe Merkel „volles Vertrauen“ in Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Seibert machte aber auch deutlich, dass Merkel bei den Vorgängen um Edathy noch Klärungsbedarf sieht: „Für die Bundeskanzlerin ist es wichtig, dass alle im Raum stehenden Fragen in überzeugender Form geklärt werden.“ Hier müsse „ein jeder sehen, was er zur Aufklärung beitragen kann“.

Seibert ließ auf Nachfrage offen, um welche Fragen es sich dabei handele. Unionspolitiker hatten zuvor vor allem die Frage aufgeworfen, ob der damalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy im Herbst von Parteifreunden informiert worden sei, dass möglicherweise Ermittlungen wegen des Verdachts auf Kinderpornographie auf ihn zukämen. Außerdem will die Unionsseite wissen, warum SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in dieser Angelegenheit den Chef des Bundeskriminalamts um Informationen gebeten hat.

Seibert machte mit Blick auf die Vorgänge um den Fall Edathy deutlich, dass die Bundeskanzlerin strenge Maßstäbe an das Verhalten ihrer Minister anlege. Jedes Minister sei „ein Diener des Rechtsstaats“, sagte Seibert. Es sei wichtig, „das den Bürgern das Vertrauen gegeben wird, dass im Sinne des Rechtsstaats gehandelt und gearbeitet wird“.

Ermittlungen gegen Zierke?

Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden prüft die Einleitung möglicher Ermittlungen gegen den Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke. Dies berichtete „Spiegel Online“ am Montag unter Berufung auf den Sprecher der Behörde, Hartmut Ferse. Gegen Ziercke liegt dem Bericht zufolge in Wiesbaden mindestens eine Strafanzeige wegen einer möglichen Verletzung des Dienstgeheimnisses vor.

Hintergrund ist das Telefonat, das Ziercke im Oktober 2013 Oppermann zum Fall des früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy führte. Oppermann hatte am Donnerstag erklärt, der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) habe SPD-Chef Sigmar Gabriel im Oktober mitgeteilt, dass der Name Edathys im Zusammenhang mit Ermittlungen im Ausland genannt werde. Weiter erklärte Oppermann, er habe im Oktober mit Ziercke telefoniert und sich dabei die Informationen über Edathy bestätigen lassen.

Ziercke widersprach dieser Darstellung. Am Wochenende hatte Oppermann dann der „Bild am Sonntag“ gesagt, Ziercke habe ihm „keine Einzelheiten genannt“. Der BKA-Chef habe die von ihm vorgetragenen Informationen „nicht kommentiert“.
Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt nach eigenen Angaben gegen Edathy wegen Vorwürfen „im Grenzbereich“ zur Kinderpornografie. Friedrich war im Zusammenhang mit der Affäre Edathy am Freitag als Landwirtschaftsminister zurückgetreten

Kraft stützt Oppermann

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin und SPD-Vizechefin Hannelore Kraft hat Rücktrittsforderungen an Oppermann unterdessen zurückgewiesen. „Ich kann diese Rücktrittsforderungen nicht nachvollziehen“, sagte Kraft am Montag in Berlin vor Sitzungen des Parteipräsidiums und des Parteivorstandes. „Es kann ja nicht sein, dass jemand, der die Wahrheit sagt, am Ende dafür gehen soll.“ Oppermann habe seine Erklärung in der Edathy-Affäre mit dem inzwischen zurückgetretenen Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) abgestimmt. „Insofern kann ich das nicht nachvollziehen.“

Aus der CSU hatte es Äußerungen gegeben, die Oppermann den Rücktritt nahelegten. Er hatte vorige Woche öffentlich gemacht, dass Friedrich im Oktober 2013 als Innenminister SPD-Chef Sigmar Gabriel informierte, dass der Name des SPD-Politikers Sebastian Edathy im Rahmen internationaler Ermittlungen aufgetaucht sei. Die CSU wertet dies als Vertrauensbruch des Koalitionspartners. In der Kritik steht Oppermann auch, weil er den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, anrief, um sich die Informationen bestätigen zu lassen.

CSU lädt Oppermann aus

Unterdessen lud die CSU den SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann von einer Sitzung der CSU-Bundestags-Landesgruppe aus. Oppermann hätte dort nach Angaben aus Parteikreisen am Montagabend erscheinen wollen. Das sei „absurd“ und „abwegig“, sagte Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt nach Teilnehmerangeben.

CDU, CSU und SPD haben zudem angesichts der Edathy-Affäre den ursprünglich für Dienstagabend angesetzten Koalitionsausschuss abgesagt. „Es wird keinen Koalitionsausschuss geben, sondern die drei Parteivorsitzenden werden sich über diese Angelegenheit unterhalten“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer am Montag in München. An dem Treffen nehmen neben Seehofer CDU-Chefin Angela Merkel und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel teil. Nicht dabei sind die Generalsekretäre und die Fraktionschefs - also auch nicht SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, der nach dem Rücktritt von Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) aus der Union heftig kritisiert worden war.

Gründe für die Verkleinerung der Runde wurden nicht angegeben. Allerdings hatten mehrere Unions-Politiker am Wochenende nach dem Friedrich-Rücktritt angekündigt, nun müsse erst wieder Vertrauen in der Koalition aufgebaut werden. Dem diene auch das vertrauliche Treffen der drei Parteivorsitzenden. (rtr/dpa)

Laut Staatsanwaltschaft Hannover steht Sebastian Edathy im Verdacht, in diesem Zeitraum neun Bestellungen für 31 Video- und Fotosets mit Bildern nackter Jungen getätigt zu haben. Die ersten sieben kamen postalisch, der Rest waren Downloads aus dem Internet. 2012: Die kanadische Polizei informiert das Bundeskriminalamt über 800 deutsche Kunden eines kanadischen Onlineshops, der auch Kinderpornografie vertreibt.

Das BKA gibt die Daten zentral zur Auswertung an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt.

BKA-Chef Jörg Ziercke informiert den Staatssekretär des damaligen Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich (CSU). Der sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name Edathy aufgetaucht sei. Gabriel erzählt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier davon, auch Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann wird eingeweiht. Oppermann lässt sich die Information nach eigenen Aussagen telefonisch von Ziercke bestätigen. Dieser bestreitet jedoch, Informationen bestätigt zu haben.

Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, erfährt in einem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Celle erstmals von dem Verdacht.

Die kanadischen Behörden informieren auf einer Pressekonferenz über ihre Ermittlungen.

Ein Anwalt Edathys sucht die Staatsanwaltschaft Hannover auf und fragt nach möglichen Ermittlungen gegen seinen Mandanten. Er bezieht sich auf Gerüchte, die Edathy gehört habe. Der Anwalt führt das Gespräch mit Fröhlichs Vertreterin, die den Fall nicht kannte. Auf ihre Frage, worum es geht, erhält sie die Antwort: „Irgendwas mit Kinderpornografie.“

Der innenpolitische SPD-Fraktionssprecher Michael Hartmann informiert Oppermann darüber, dass Edathy gesundheitliche Probleme habe.

Oppermann informiert seine Nachfolgerin Christine Lambrecht über den Verdacht gegen Edathy.

Edathy meldet seiner Fraktion seine Krankschreibung.

Edathys Anwalt sucht mit Oberstaatsanwalt Thomas Klinge das Gespräch. Dabei wiederholt er, was sein Mandant gerüchteweise gehört habe. „Die Filme seien allerdings nicht pornografisch gewesen, Herr Edathy besitze sie auch nicht mehr“, sagt der Anwalt nach Darstellung Fröhlichs.

Die Staatsanwaltschaft entscheidet, Ermittlungen einzuleiten, die zunächst verdeckt laufen.

Fröhlich informiert den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) per Brief über die eingeleiteten Schritte. Der Brief kommt aber erst am 12. Februar in Berlin an.

Edathy legt nach 15 Jahren sein Bundestagsmandat nieder und nennt dafür gesundheitliche Gründe.

Die Staatsanwaltschaft Hannover lässt Edathys Wohnungen im niedersächsischen Rehburg und Berlin sowie Büros durchsuchen.

Edathy weist in einer Erklärung den Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie zurück.

Edathy erhebt Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft: Die Razzien in seinen Wohnungen und Büros seien unverhältnismäßig und widersprächen rechtsstaatlichen Grundsätzen. Ermittler durchsuchen ein weiteres Büro Edathys in Rehburg.

Die SPD-Spitze räumt ein, seit Oktober vom Verdacht gegen Edathy gewusst zu haben. Die Weitergabe von Informationen aus dem Bundesinnenministerium stößt bei den Ermittlern in Hannover auf heftige Kritik.

Die Staatsanwaltschaft äußert sich erstmals zu den Vorwürfen. Es gehe um einen Grenzbereich zur Kinderpornografie. Fröhlich zeigt sich „fassungslos“, dass die SPD-Spitze schon seit Oktober Bescheid wusste. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärt am Morgen, er wolle im Amt bleiben und erst dann zurücktreten, wenn Ermittlungen gegen ihn eingeleitet werden. Im Verlauf des Tages kündigt er für 17 Uhr eine Pressekonferenz an.

Auf einer Pressekonferenz um 17 Uhr erklärt Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich seinen Rücktritt. Er sei nach wie vor davon überzeugt, dass er politisch und rechtlich richtig gehandelt habe, aber der Druck sei zu stark geworden, sagt Friedrich.