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Facebook-Kampagne gegen FC-Sponsor Rewe Facebook-Kampagne gegen FC-Sponsor Rewe: AfD-Kreisverband wendet sich nach Boykott-Aktion an "Moralapostel und Gutmenschen"

Von Christine Badke 22.04.2015, 14:56

Köln - Der Boykott-Aufruf eines AfD-Kreisverbandes gegen den Kölner Rewe-Konzern hat der Partei viel Gegenwind beschert. Die Parteimitglieder des KV Mecklenburg-Schwerin hatten am Dienstag eine Kampagne gegen den Lebensmittel-Händler auf Facebook gestartet, um ihre Solidarität mit AfD-Chef Bernd Lucke auszudrücken. Lucke war am Samstag im Bordbistro eines ICE verbal von Fans des 1. FC Köln attackiert und zum Verlassen des Gastro-Bereichs aufgefordert worden (zum Video).

Nach heftiger Kritik unter dem Facebook-Aufruf und zahlreichem Spott und Unverständnis auf Twitter hat der Kreisverband den Beitrag auf Facebook am Dienstagabend gelöscht — was ebenfalls in den sozialen Netzwerken nicht unbemerkt blieb.

Die Vermutung eines Nutzers, das Entfernen des Beitrags sei ein Ergebnis einer Einsicht gewesen, hat sich nicht bestätigt: Vielmehr wollte man offenbar die wütenden Kommentare der Nutzer entfernen. Einige hatten den Boykott-Aufruf mit den Aufrufen gegen jüdische Geschäftsleute in der NS-Zeit verglichen. Auf Anfrage dieser Zeitung sagte Christian Lüth, Pressesprecher der Alternative für Deutschland: „Der Kreisverband hat den Teil 1 seiner Kampagne gegen die Doppelmoral in unserer Gesellschaft durch den Teil 2 ersetzt, da Teil 1 mit zu vielen beleidigenden Kommentaren seitens der Antifa auf Facebook versehen wurde.“

Der neue Facebook-Beitrag des Kreisverbandes von Mittwoch richtet sich an „all die Empörten und Distanzierer, die Scheinheiligen, die Schubladendenker, Moralapostel, Ignoranten, Gutmenschen und Mitläufer“. Ein dazugehöriges Bild zeigt einen Spiegel mit einem erschreckten Emoji und einem Oscar-Wilde-Zitat (das dieser allerdings einer fiktiven Person in den Mund gelegt hat):

„Moral ist weiter nichts als die Haltung, die wir Leuten gegenüber einnehmen, gegen die wir eine persönliche Abneigung haben.“

Definition von Moral

Ob das Posting dazu geeignet ist, die Kritik einzudämmen, darf bezweifelt werden. Viele Nutzer wollen wissen, ob dies wirklich die Definition der Partei zu Moral ist. Andere antworten mit Solidaritätsbekundungen mit Rewe, wie „Je suis Rewe“-Bildern in Anlehnung an die Unterstützung des Satire-Magazins Charlie Hebdo nach dem tödlichen Anschlag auf die Redaktion.

Löschen wollen die Mecklenburger diesen Beitrag aber nicht: „Der 2. Teil bleibt unkommentiert stehen, verfassungsfeindliche Texte und Assoziationen werden gelöscht“, so Thomas de Jesus Fernandes, Pressesprecher des Kreis-Verbandes. Zum Entfernen des ersten Beitrages steht der Kreis-Verband jedoch, sein Fazit: „Es ist in Deutschland nicht möglich eine abweichende Meinung zu äußern, ohne gleich große Gegendemonstrationen zu provozieren.“

Auch den Boykott-Aufruf verteidigt Pressesprecher Fernandes: Wer den KV kenne, wisse um die unorthodoxen Methoden auf Facebook, von einer reinen Stellungnahme hätte sicher niemand Notiz genommen und so sei der AfD wenigstens die mediale Resonanz sicher: „Warum Rewe? Wir hätten auch zum Boykott der Deutschen Bahn oder des 1.FC Köln aufrufen können, aber das klingt vollkommen unrealistisch, da die Deutsche Bahn sowieso derzeit streikt und der echte Kölner Fan sich doch nicht von seinem Verein trennen würde. Aber einen Einkaufsboykott, das konnte man am glaubhaftesten verkaufen.“

Den NS-Vergleich will der Kreisverband nicht gelten lassen, immerhin gebe es auch Beispiele anderer politischer Organisationen gegen Olympia in Russland oder gegen Firmen, die Textilien aus Kinderarbeit verkaufen würden.

Bundes-AfD: „Wenig zielführend“

Der Bundesverband der Partei hingegen distanzierte sich im Gespräch mit dieser Zeitung am Mittwoch vorsichtig von der Aktion des Kreis-Verbandes, die dieser in Eigenregie vorgenommen habe. Grundsätzlich sei der Versuch lobenswert, „unserer Gesellschaft anhand des ICE-Zwischenfalls den Spiegel vorzuhalten“. Den Boykott will man dort aber nicht unterstützen: „Dies allerdings zulasten eines prominenten Sponsors des 1. FC Kölns zu tun, ist wenig zielführend. Schließlich ist das Unternehmen Rewe nicht verantwortlich für das Fehlverhalten zweier FC-Fans.“

Rewe hatte sich am Dienstag auf Twitter humorvoll zu den Vorfällen geäußert, ohne die AfD konkret zu erwähnen: Man könne bei Rewe auch ganz unbeobachtet online einkaufen. Ansonsten wollte sich der Kölner Handelskonzern nicht zu dem Boykottaufruf äußern. Die Gruppe hat in Mecklenburg-Vorpommern nur sehr wenige Standorte: Insgesamt gibt es nach Konzernangaben dort 31 Supermarktfilialen unter der Marke Rewe, vier davon in der Landeshauptstadt Schwerin.

Einigermaßen friedlich

Der 1. FC Köln hält es mit der Ansicht: Warum für etwas entschuldigen, das der Verein nicht verschuldet respektive gesteuert hat? Man würde sich ja auch nicht für einen Autounfall entschuldigen, den jemand mit einem FC-Aufkleber auf dem Wagen verursacht hat. Der FC wisse ja nicht einmal, um wen es sich bei den Personen handle, die Lucke zum Verlassen des Bordbistros aufgefordert haben, und es sei schließlich alles einigermaßen friedlich, heißt: ohne körperliche Übergriffe geendet. (mit sag)