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Extremismus Extremismus: NSU-Ausschuss wehrt sich gegen Schwärzung von Akten

16.10.2012, 16:48
Der Vorsitzende im NSU-Untersuchungsausschuss, Sebastian Edathy (SPD) steht im Anhörungssaal des Paul-Löbe-Hauses in Berlin neben einem Aktenschrank mit Akten des Bundesamts für Verfassungsschutz. (FOTO: DPA)
Der Vorsitzende im NSU-Untersuchungsausschuss, Sebastian Edathy (SPD) steht im Anhörungssaal des Paul-Löbe-Hauses in Berlin neben einem Aktenschrank mit Akten des Bundesamts für Verfassungsschutz. (FOTO: DPA) dpa

Berlin/Erfurt/dpa. - Das Gerangel um hunderte Aktenordner aus Thüringen spitzt sich zu: Der Neonazi-Untersuchungsausschuss im Bundestag will keine umfangreiche Schwärzung der Papiere hinnehmen. „Ich habe nicht die Absicht, mir vorschreiben zu lassen, was ich lesen darf“, sagte der Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. „Eine Blanko-Vollmacht, willkürlich Schwärzungen vorzunehmen, wird es vom Ausschuss nicht geben.“ Die Innenminister der Länder wollen erreichen, dass Teile der Unterlagen nachträglich unkenntlich gemacht werden, um V-Leute zu schützen. Edathy sagte, das sei nur im Einzelfall denkbar. Ein Spitzentreffen am Mittwoch soll eine Lösung in dem Streit liefern.

Thüringen hat damit Rückendeckung vom Untersuchungsausschuss erhalten. Alle Obleute im Deutschen Bundestag erklärten, Thüringen habe korrekt gehandelt, sagte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) am Dienstag in Erfurt. Das gemeinsame Ziel sei die lückenlose Aufklärung. „Bisher ist viel gemutmaßt worden, aber alle haben die Akten nicht gesehen“, sagte Lieberknecht mit Blick auf die Innenminister, die Teile der Akten nachträglich schwärzen lassen wollen. Es seien zudem keine V-Mann-Akten darunter, die würden an einem besondern Ort gelagert, sagte die Regierungschefin.

Die Landesregierung habe nicht einfach die Keller leergeräumt; alle Akten seien nach Stichworten durchsucht, eingescannt und geordnet worden, wies Lieberknecht Vorwürfe zurück, es seien wahllos Unterlagen nach Berlin verschickt worden.

Rund 780 Aktenordner hat Thüringen bislang dem Ausschuss geliefert, um mögliche Ermittlungspannen bei den Neonazimorden der aus Jena stammenden rechtsextremen Terrorzelle NSU aufzuklären. Etwa noch mal so viele sollen folgen. Dies sorgt bei Verfassungsschützern aus Bund und Land für Unruhe. Sie befürchten, dass dadurch sensible Dates und Klarnamen von V-Leuten aus der rechtens Szene ans Licht kommen könnten. Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seine Amtskollegen aus den Ländern hatten sich besorgt geäußert.

Die Innenministerkonferenz hat Edathy nun folgendes Prozedere vorgeschlagen: Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden sollen die Papiere einsehen und im Zweifel Passagen unkenntlich machen. Dafür solle es sechs Wochen Zeit geben. Laut Edathy stehen mit Ausnahme von Thüringen alle Innenminister der Länder hinter der Idee.

Der SPD-Politiker mahnte, es könne nicht sein, dass Dutzende Verfassungsschutzmitarbeiter mit einem Filzstift in der Geheimschutzstelle des Parlaments zu Werke gingen. Bislang habe er aus den Ländern auch noch keinen konkreten Hinweis vernommen, was in den Unterlagen so sensibel sei, dass es geschwärzt werden müsste.

Angesichts der Bedenken aus Bund und Ländern hatten sich die Abgeordneten bereiterklärt, die Unterlagen zunächst bis zur Ausschusssitzung am Donnerstag nicht anzutasten. Am Mittwoch wollen sich Edathy und die Obleute mit Friedrich und dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Lorenz Caffier (CDU), zusammensetzen, um eine Lösung zu finden.

„Wir sind gesprächsbereit, aber wir lassen uns keine Bedingungen diktieren“, betonte Edathy. „Diese Akten sind jetzt bei uns. Wir haben die Verfügungsgewalt.“ Die Flut an Unterlagen aus Erfurt stellt den Untersuchungsausschuss vor große Herausforderungen. Die Obleute haben sich dafür ausgesprochen, einen Ermittlungsbeauftragten einzusetzen, der die Papiere gemeinsam mit einem Team von Juristen vorab sichtet und Hinweise gibt, welche Unterlagen besonders relevant sind. Im Gespräch ist dafür der ehemalige Bundesrichter Gerhard Schäfer, der in Thüringen Pannen der dortigen Sicherheitsbehörden untersucht hat.

Unmut gebe es im Ausschuss auch über die jüngsten Vorwürfe, dass eine Übermittlung als geheim eingestufter Akten an das Gremium einer Veröffentlichung gleichkomme, sagte Edathy. „Das ist unverfroren gegenüber dem Parlament.“