Extremismus Extremismus: Lichtenhagen-Prozess hat begonnen

Schwerin/dpa. - Das LandgerichtSchwerin unterbrach die Verhandlung nach dem Verlesen der Anklage -nur zwei Stunden nach Prozessbeginn - zur Beratung der Anträge bisDonnerstag.
Ein Sprecher des Gerichts hatte als Grund für die langeVerfahrensdauer «Überlastung der Kammer» angegeben. Die Nebenklagesprach indes vor dem Prozess von einem «Skandal». Die Anklage warbereits 1995 erhoben worden, bis zum Prozess verstrichen sechs Jahre.Der Anwalt des dritten Angeklagten hatte schon vor der Verhandlungeinen Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen Verjährungeingereicht. Dieser wurde am Dienstag zurückgewiesen. Dieausländerfeindlichen Krawalle, bei denen weit über 1000 SchaulustigeBeifall geklatscht hatten, hatten weltweit für Empörung gesorgt.
Die Staatsanwaltschaft wirft den drei heute 26, 27 und 28 Jahrealte Männern aus Schwerin neben versuchtem Mord auch schwereBrandstiftung und schweren Landfriedensbruch vor. Sie sollen in derNacht vom 24. zum 25. August 1992 aus einer Gruppe von rund 400Personen heraus Brandsätze auf die Zentrale Aufnahmestelle fürAsylbewerber geworfen haben. Das Motiv sei Ausländerhass gewesen,sagte der Staatsanwalt. Die Angeklagten hätten gewusst, dass sichMenschen in dem Gebäude befanden. Sie hätten deren möglichen Todbilligend in Kauf genommen und sich damit des versuchten Mordesschuldig gemacht. Todesopfer gab es bei den Krawallen keine. DieFeuerwehr war zunächst an Löscharbeiten gehindert worden.
Die Verteidigung wies den Vorwurf des Mordversuchs am Rande derVerhandlung erneut als nicht haltbar zurück. Der Prozess müsseeingestellt werden, weil ein Teil der anderen Anklagepunkteinzwischen verjährt sei. Gegen einen vierten jungen Mann, dem keinMordversuch zur Last gelegt worden war, ist das Verfahren in derVorwoche wegen Verjährung eingestellt worden. Für den Prozess sindvorerst fünf Verhandlungstage vorgesehen. Das Urteil wird im Dezembererwartet.
Verteidigung und Staatsanwaltschaft nahmen während der Verhandlungdie 3. Strafkammer vor Vorwürfen in Schutz, das Verfahrenhinausgezögert zu haben. Die Jugendstrafkammer sei auf Grund einerVielzahl dringender Verfahren mit Angeklagten in Untersuchungshaftnicht in der Lage gewesen, einen Prozess dieser Größenordnungvorzuziehen, sagte Staatsanwalt Wulf Kollorz. Die Angeklagten habenwegen der gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht in Haft gesessen.
Nebenkläger Nguyen Do Tinh sagte zu Journalisten, er glaube nichtmehr an eine gerechte Strafe. Der einstige Vertragsarbeiter ausVietnam war mit mehr als 100 Landsleuten und einigen Deutschen,darunter auch der zweite Nebenkläger Wolfgang Richter, in jener Nachtin Todesangst auf das Dach des Heimes geflüchtet. Richter istAusländerbeauftragter der Stadt Rostock. Die beiden Nebenklägererhoffen sich von der Verhandlung vor allem eine Aufklärung derGeschehnisse.
Alle drei Angeklagten sind bereits mehrfach mit dem Gesetz inKonflikt geraten. Ein heute 26-Jähriger wurde aus derJustizvollzugsanstalt Bützow zur Verhandlung gebracht. Er sitzt dorteine mehrjährige Haftstrafe unter anderem wegen eines rechtsextremenPropagandadelikts ab.