Experte Experte: Geschwister haben maximales Risiko auf behinderte Kinder
Heidelberg/dpa. - Geschwisterpaare haben aus medizinischer Sichtein extrem großes Risiko, ein geistig oder körperlich behindertesKind zur Welt zu bringen. «Die Gefahr ist dann deutlich erhöht undliegt bei 40 bis 50 Prozent», sagte der Chef des Instituts fürHumangenetik in Heidelberg, Claus Rainer Bartram, in einem Gesprächmit der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Der Grund dafür sei, dass Geschwister 50 Prozent derErbinformationen gemeinsam haben. Dadurch sei die Wahrscheinlichkeitgroß, dass ein Kind das Gen für eine Erbkrankheit vom Vater und vonder Mutter erhält. So könnten zwei Gene mit Defektenaufeinandertreffen und eine Behinderung entstehen. Mutationen inGenen gebe es zwar bei jedem Menschen. Bei gewöhnlichen Elternpaarenkönne das gesunde Gen des einen Elternteils jedoch oft das defektedes anderen ausgleichen.
Cousins und Cousinen, deren Beziehung oder Heirat juristisch keinProblem darstelle, «haben nur ein Achtel des Erbguts gemeinsam»,erläuterte er. Deren Risiko, ein behindertes Kind zur Welt zubringen, liege bei lediglich sechs Prozent. «Normalerweise, also beigesunden und nicht verwandten Paaren, ist das Risiko noch kleiner undliegt bei drei Prozent.»
Rein medizinisch gesehen sei ein Kinderwunsch beiGeschwisterpaaren also eine Risikoabwägung, wie es sie auch für Paaregibt, die mit Erbkrankheiten belastet sind - «das wären dann allesDinge, die wir in der genetischen Beratung erklären würden», sagteer.
Aus kultureller Sicht aber sei ein Inzest-Tabu, so wie es es inunserem Kulturkreis seit Jahrtausenden gebe, sinnvoll - «es soll jaKinder oder Geschwister vor sexuellem Missbrauch schützen».Insofern sei dieses Tabu eine Leistung - «vermutlich eine kulturelleLeistung, denn die Menschen früher wussten wahrscheinlich nicht, dassauch rein medizinisch gesehen die Gruppen, die unter das Inzest-Tabufallen, gleichzeitig auch mit Abstand die grösste Risikogruppehinsichtlich behinderten Nachwuchses sind».
Inzest-Tabus gebe es auch in der Tierwelt, zumal bei Tieren, diein Paaren zusammenleben, etwa Vögeln oder auch Primaten. «Hier hatdie Natur evolutionär dafür Sorge getragen, dass Inzest nichtvorkommt», sagte Bartram. Bei den Menschen sei das Tabu so festverankert, dass ein Tabubruch im Regelfall auch nicht vorkomme - «essei denn bei Nichtwissen um den Verwandtschaftsgrad oder wenn dieBetroffenen getrennt aufgewachsen sind».