1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Ex-Häftlinge: Ex-Häftlinge: Entlassen, aber nicht verlassen

Ex-Häftlinge Ex-Häftlinge: Entlassen, aber nicht verlassen

Von maria Böhme 17.02.2012, 19:33

Magdeburg/MZ. - "Wie kann ich Ihnen helfen, mich wieder loszuwerden?" Diese Frage stellt Sozialarbeiterin Grit Leue (Foto) regelmäßig verurteilten Mördern, Dieben, Betrügern und Vergewaltigern. Die 46-jährige Magdeburgerin unterstützt Ex-Häftlinge bei dem Versuch, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Ein "unglaublich spannender und abwechslungsreicher Job", betont sie.

Unterstützen und kontrollieren

Leue arbeitet seit 16 Jahren als Bewährungshelferin, Gerichtshilfe und Führungsaufsicht beim Sozialen Dienst der Justiz in Magdeburg. Zu tun hat sie genug. 69 straffällige Männer und Frauen aus Magdeburg und dem Salzlandkreis betreut sie derzeit. Einen Bewährungshelfer bekomme, wer vorzeitig aus der Haftanstalt entlassen wird oder mindestens zwei Jahre im Gefängnis gesessen hat, erklärt Leue. Bei Sexualstraftätern gelte diese Regelung schon ab einem Jahr Knast-Aufenthalt. Den Übergang vom Leben hinter dicken Gefängnismauern zu einem Neuanfang in Freiheit gemeinsam mit den Tätern zu gestalten, findet sie sehr wichtig - um mögliche Rückfälle zu verhindern. "Würden die Menschen nach der Haft allein gelassen, wären die Gefängnisse voll." An die Hand wolle sie die ehemaligen Gefangenen aber nicht nehmen. Ihre Arbeit versteht sie vielmehr als Hilfe zur Selbsthilfe.

Durchschnittlich einmal im Monat nimmt die Sozialarbeiterin Kontakt mit einem Ex-Häftling auf. Entweder treffen sich beide dann in Leues Büro oder bei dem Betroffenen zu Hause. Auch gemeinsame Behördengänge, Hilfe bei der Suche nach einer Wohnung oder einem Therapeuten stehen auf dem Programm. Grundlage ihrer Arbeit seien dabei Einzelgespräche, erklärt die 46-Jährige. Die drehen sich unter anderem um die Tat, die Beweggründe des Täters und dessen aktuelle Situation.

Erneute Straftaten verhindern

Diese Unterredungen seien aber kein Ersatz für eine Therapie, betont Leue. Dennoch sei auch bei ihrer Arbeit sehr viel Psychologie dabei. "Der Täter muss seine eigenen Grenzen kennenlernen und sich seinen eigenen Anteil an der Tat eingestehen." Erst dann könne man langfristig an Verhaltensänderungen arbeiten. Schließlich sei es eine der Hauptaufgaben für sie als Bewährungshelferin, zu verhindern, dass ein Ex-Häftling erneut straffällig wird. "Opferschutz" nennt sie das. Es komme aber auch vor, dass die Resozialisierung scheitere. Leue schätzt, dass fünf bis zehn Prozent der Betroffenen rückfällig werden. Es käme auch vor, dass Ex-Gefangene in den Strafvollzug zurück gehen, weil sie draußen nicht zurecht kommen. Das aber seien Einzelfälle.

Dass Menschen die Täter aus ihrer Gemeinschaft ausstoßen, wie in Insel, sei äußerst selten. "Die Menschen wissen ja eigentlich nicht, wer ihre Nachbarn sind." Denn Diskretion sei oberstes Gebot bei ihrer Arbeit. Daher sei auch die Anonymität einer größeren Stadt für die Wiedereingliederung besser als ein Dorf. "Die Situation in Insel ist von Anfang an ungünstig gewesen", sagt die Sozialarbeiterin, "man kann zwei Männer mit einem bayerischen Dialekt einfach nicht in ein Dorf in Sachsen-Anhalt stecken."