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Europäische Union Europäische Union: Juncker will den Euro für alle

Von Thorsten Knuf 13.09.2017, 14:09
EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker bei seiner Rede in Straßburg
EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker bei seiner Rede in Straßburg AFP

Straßburg - Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, hat am Mittwoch in einer Rede vor dem EU-Parlament in Straßburg die Einführung des Euro in allen 27 EU-Mitgliedstaaten gefordert. Juncker forderte in seiner jährlichen Rede zur Lage der Union insgesamt mehr europäische Integration.

Visionäre Rede über Europas Zukunft

Es war eine programmatische, zum Teil visionäre Ansprache, in der Juncker deutlich machte, wohin das Schiff Europa seiner Auffassung nach steuern sollte. Zwei Jahre wird der amtierende EU-Kommissionschef noch im Amt sein, ein weiteres Mandat strebt er nicht an.

2019 wird auch Großbritannien die Gemeinschaft verlassen. Der62-jährige Juncker verlangt angesichts dessen einen neuen Integrationsschub. Seine Devise lautet: Nicht weniger, sondern mehr Europa. Und zwar für alle und mit allen, die nach dem Brexit noch dabei sind.

Viele seiner Ideen dürften in wahlkämpfenden Deutschland und anderswo auf wenig Gegenliebe stoßen – zumal sich die Staats- und Regierungschefs der Gemeinschaft eigentlich darauf verständigt haben, dass in Europa künftig nicht mehr alle alles gleichzeitig machen müssen. Juncker ficht das nicht an. Er sagt: „Unsere Union muss stärker werden.“ Ein Überblick.

EURO FÜR ALLE Nur in 19 von 28 EU-Staaten ist der Euro offizielles Zahlungsmittel. Er müsse aber mehr sein als die Währung einer ausgewählten Ländergruppe, sagte Juncker am Mittwoch. Prinzipiell sind außer Großbritannien und Dänemark alle Mitgliedstaaten verpflichtet, die Gemeinschaftswährung einzuführen. Der Prozess stockt aber. Junckers Vorschlag: Wer mitmachen will, soll technische und notfalls finanzielle Hilfe erhalten. Damit könnten auch Länder wie Polen, Ungarn, Tschechien oder Rumänien an den Euro herangeführt werden. Für Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) dürfte die Debatte zur Unzeit kommen. Die Erinnerung an die Eurokrise ist noch frisch. FDP-Chef Christian Lindner sagte am Mittwoch: „Vor der Ausweitung der Eurozone muss seine Stabilisierung stehen.“

MEHR SCHENGEN Im Schengen-Raum sind die Personenkontrollen an den Grenzen abgeschafft. Die Flüchtlingskrise setzte das gesamte System einer Belastungsprobe aus.

Juncker sagte jetzt: „Wenn wir den Schutz unserer Außengrenzen verstärken wollen, dann müssen wir Rumänien und Bulgarien unverzüglich den Schengen-Raum öffnen.“Auch Kroatien solle die volle Mitgliedschaft erhalten, wenn es die Kriterien dafür erfüllt. Der Vorschlag dürfte vor allem Innenpolitiker in Deutschland und Österreich auf die Palme bringen.

NEUE MITGLIEDER Nach dem Austritt Großbritanniens wird die Union noch 27 Mitglieder haben. Aber dabei muss es nach Auffassung Junckers nicht bleiben. „Wenn wir mehr Stabilität in unserer Nachbarschaft wollen, müssen wir eine glaubhafte Erweiterungsperspektive für den westlichen Balkan aufrecht erhalten“, sagte er. Gemeint sind damit Staaten wie Serbien, Bosnien-Herzegowina, Albanien und das Kosovo. In den meisten Ländern Westeuropas ist Bereitschaft gering, neue Mitglieder aufzunehmen. Zur Türkei sagte Juncker, eine EU-Mitgliedschaft schließe er „in absehbarer Zeit“ aus, das Land entferne sich mit Riesenschritten von Europa. Gleichwohl werde „von unserer Seite immer eine Hand ausgestreckt bleiben für das große türkische Volk“. Das kann man als klare Absage an die Forderungen nach einem Abbruch der Beitrittsverhandlungen werten. Die Forderung wird unter anderem von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und der österreichischen Regierung erhoben.

NUR EIN PRÄSIDENT Juncker ist Präsident der EU-Kommission. In Brüssel gibt es überdies Donald Tusk, den Präsidenten des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs. Juncker meint, dass beide Ämter mittelfristig zusammengeführt werden sollten.

„Europa wäre leichter zu verstehen, wenn ein einziger Kapitän am Steuer wäre.“ Dafür müsste allerdings eine Änderung des EU-Vertrags her, was politisch heikel ist. Auch die Eurozone will Juncker neu strukturieren: Aus dem Rettungsschirm ESM soll eine Europäischer Währungsfonds werden. Juncker spricht sich auch dafür aus, dass der zuständige EU-Kommissar dauerhaft als Finanzminister der Eurozone agiert. Anders als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will er kein neues Amt schaffen. Auch Macrons Forderung nach einem eigenen Eurozonen-Budget für Investitionen sieht er kritisch: Es solle nur einen eigenen Posten im allgemeinen EU-Haushalt geben.

MEHR DEMOKRATIE 2019 stehen die nächsten Europawahlen an. Nach Auffassung Junckers sollten die Parteienfamilien wieder Spitzenkandidaten ernennen. Der oder die siegreiche Kandidatin würde dann wie 2014 Kommissionspräsident. Juncker plädiert auch für länderübergreifende Wahllisten, die es bisher nicht gibt. Beschlüsse im EU-Ministerrat zu den Themen Binnenmarkt und Außenpolitik sollten nach seiner Vorstellung verstärkt mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden. Bisher ist Einstimmigkeit notwendig. Hier dürfte es Widerstand aus etlichen Mitgliedstaaten geben. Juncker hat auch schon eine konkrete Vorstellung, wann und wo die neue Union Form annehmen soll: Bei einem Sondergipfel am 30. März 2019 im rumänischen Sibiu (Hermannstadt). Das wird der Tag nach dem Austritt Großbritanniens sein. Sibiu wiederum hat eine lange europäische Tradition und Rumänien wird im ersten Halbjahr 2019 den rotierenden Vorsitz im EU-Ministerrat innehaben.