Europa Europa: Die zehn absurdesten EU-Mythen

Ob Kondome, Zwangsbremsen oder Windeln für Kühe: Über die Regelungswut der EU gibt es mittlerweile tausende Gerüchte. Kein Wunder, dass so viele Briten für einen Austritt ihres Landes aus dem Staatenbund sind. Doch hinter vielen angeblichen Verordnungen stecken in Wirklichkeit ganz andere Dinge. Wir haben für Sie zehn absurdesten EU-Mythen genauer unter die Lupe genommen.
Müssen Kühe bald Windeln tragen? Diese Frage geisterte im Oktober 2014 durch die deutschen Medien. Grund war ein Protest des Bayerischen Bauernverbandes unter dem Motto „Windeln für Almkühe“. Auslöser war wieder einmal eine neue EU-Verordnung, die anscheinend absichtlich falsch verstanden wurde. Die Beamten in Brüssel wollten lediglich regeln, wie viel Düngermittel auf Hanglagen ausgebracht werden dürfen. Hintergrund waren die zu hohen Nitratwerte im Grundwasser. Davon, dass Kühe ihr Geschäft nicht mehr auf der Alm machen dürfen, war aber niemals die Rede.
Der nächste EU-Mythos hat wohl vor allem Morgenmuffel kalt erwischt. Angeblich sollen die Beamten in Brüssel vorgehabt haben, Filterkaffeemaschinen zu verbieten. Doch das ist absoluter Blödsinn. Die EU führte ab 2015 lediglich eine Regelung ein, wonach Kaffeemaschinen nach einer gewissen Zeit, in der sie nicht benutzt wurden, automatisch in den Standby-Modus wechseln. Das soll helfen, rund 35 Terrawattstunden Strom pro Jahr zu sparen. Die Vorschrift gilt im Übrigen auch nur für neue Maschinen, die auf den Markt kommen. Filterkaffeemaschinen sind also weiterhin erlaubt.
Selbst aus dem Sexleben kann sich die EU nicht heraushalten! So jedenfalls war der Tenor, als es in den 90ern hieß, Brüssel wolle eine Einheitsgröße für Kondome verordnen. Fakt ist jedoch, dass die 1993 in Kraft getretene Verordnung lediglich eine Mindestgröße von 16 Zentimetern vorschreibt. Alles andere ist weiterhin jedem Hersteller selbst überlassen.
Die Bild-Zeitung behauptete am 24. August 2005, die EU wolle die deutsche Sprache in ihren Institutionen abschaffen und habe die Übersetzung von Dokumenten ins Deutsche gestoppt. Die Empörung war natürlich groß. Doch am Ende löste sich die Geschichte in Rauch auf. Die EU hatte niemals vor, Deutsch als Amts- und Verfahrenssprache abzusetzen. Das bedeutet, dass Texte auch weiterhin auf Deutsch (neben Englisch und Französisch) vorliegen müssen, bevor die Kommission diese annehmen kann. Das gleiche gilt für Unterlagen bei Ausschreibungen. Nur in Ausnahmefällen, wenn es bei bestimmten Verfahren keine deutschsprachigen Interessen gibt, kann das unterbleiben.
Dieses Gerücht trieb wohl jede Bäckerei in den Wahnsinn: Die EU verbietet, Sahnetörtchen ohne Einwickelpapier zu verkaufen. Die strengen Hygienevorschriften sollen angeblich schuld sein. Doch an diesem Mythos ist nichts dran. Zwar fordert Brüssel Maßnahmen zur Vermeidung der Verbreitung von Keimen an Orten, an denen Lebensmittel verkauft werden. Das Einwickelpapier gehört aber nicht dazu.
„Gaga-Verordnung“ und Kuchenbasare
Ein Klassiker bei den EU-Mythen: Die Beamten Brüssel haben in ihrer Regelungswut einen maximalen Krümmungsgrad von Salatgurken beschlossen. Bis heute wird dieses Beispiel immer wieder aus der Mottenkiste gekramt. Allerdings gibt es hier zwei Probleme. Erstens kam der Vorschlag für die Regulierung vom Handel selbst. Durch eine Standardisierung passen mehr Gurken in eine Kiste, was den Transport erleichtert und die Anzahl der Gurken pro Kiste berechenbarer macht. Und zweitens wurde die betreffende Regelung 2009 wieder abgeschafft – gegen den Willen von Landwirtschaftsverbänden.
Und wieder die Bildzeitung: 2014 warnte das Boulevardblatt vor einer neuen „Gaga-Verordnung“, in der die EU den Eltern verbietet, Kuchen in Kitas oder Schulen mitzubringen, ohne die Zutatenliste vorzulegen. Zwar gibt es eine Verordnung, die verlangt, alle Inhaltsstoffe offen zu legen, allerdings betrifft die ausdrücklich nur den Handel. Kuchenbasare oder Ähnliches werden sogar ausdrücklich von der Vorschrift ausgenommen.
Aus manchen Mythen wird sogar ein Held geboren. So im Fall des angeblichen Verbots für Bierkrüge aus Steingut. Nur das Land Bayern warf sich der mächtigen EU entgegen und verhinderte in letzter Minute den Super-GAU. Doch Fakt ist, die EU wollte lediglich, dass neu hergestellte Trinkgläser, die in Gaststätten benutzt werden, von außen einen Eichstrich erhalten, damit jeder Gast sofort nachvollziehen kann, ob er nicht betrogen wurde. Steinkrüge können aber nach wie vor weiter verwendet werden.
Eine angebliche Zwangsbremse für Autos ließ vor allem Freunde von Leistungsstarken Motoren erzittern. Angeblich wollte die EU damit ein zu schnelles Fahren verhindern, vor allem in Kurven. Doch in Wirklichkeit war nichts dergleichen geplant. Der Ursprung des Mythos war lediglich das Vorhaben, ein neues Satellitennavigationssystems namens Galileo einzuführen. Damit sollte das Fahren dank Routenführer und aktuellen Verkehrsinformationen einfacher werden. Außerdem sollte der Fahrer durch den Bordcomputer gewarnt werden, wenn er zu schnell in eine Kurve fährt oder auf ein Stauende zurast. Von einer Zwangsbremse war nie die Rede.
Und wieder geht es um Kühe: Laut einer EU-Richtlinie sollten Kühe in Ställen nur noch auf ultrabequemen Matratzen schlafen dürfen. Doch wie an so vielen Gerüchten war auch hier nichts dran. Eine Verordnung diesbezüglich sagt lediglich aus, dass es in Kuhställen keine für die Tiere gefährlichen Gegenstände geben sollte und dass sich die Schlafbuchten gründlich reinigen lassen müssen. Im Jahr 2006 führte dann aber Norwegen tatsächlich eine Matratzenpflicht ein, um die Milchproduktion zu steigern. Allerdings ist das skandinavische Land kein EU-Mitglied.