Erste Schritte Richtung Jamaika Erste Schritte Richtung Jamaika: Grüne erklären sich zu Jamaika-Gesprächen bereit

Berlin - So richtig wohl ist den Grünen noch nicht bei dem Gedanken, demnächst mit Union und FDP an einem Kabinettstisch zu sitzen. Von einer „Konstellation, die sich keiner der Akteure so gewünscht hat“, spricht Parteichef Cem Özdemir beim kleinen Parteitag, der am Samstag den Weg frei macht für Sondierungen über ein Jamaika-Bündnis.
Die Spitze der Partei scheint fest entschlossen, das schwierige Dreierbündnis wenn immer möglich zu schmieden. Die Basis ist bereit, ihr zu folgen - vorerst zumindest. Keine einzige Gegenstimme und ganze drei Enthaltungen gibt es, als beim Länderrat über den Antrag zur Aufnahme von Sondierungen abgestimmt wird.
Doch die Partei weiß, dass das Schwierigste erst noch kommt. Von komplizierten Verhandlungen, die bei den Jamaika-Beratungen bevorstehen, spricht fast jeder Redner beim Länderrat. Und alle wissen, dass das Projekt jederzeit scheitern kann. Deshalb baut die Führung schon mal vor: „Es kann auch sein, dass es nicht reicht am Ende“, sagt Özdemirs Ko-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt vor den Delegierten.
„Bewegung für den Linksruck“ erforderlich
Mit der Ankündigung, dass die Verhandlungen ernsthaft, aber auch ergebnisoffen geführt werden, gelingt es der Führung vorerst, die Basis mitzunehmen auf die geplante Reise nach Jamaika. Aber die Parteispitzen bekommen beim Länderrat auch Gegenwind zu spüren: Nach der Bundestagswahl mit dem guten Abschneiden der AfD sei eine „Bewegung für den Linksruck“ im Lande erforderlich, ruft die Berliner Delegierte Rhea Bruchhain. „Ich habe aber große Zweifel, dass wir in einem Jamaika-Bündnis Teil dieser Bewegung sein können.“
Das sind Einzelstimmen bei den Delegierten. Denn die Grünen spüren einen enormen Druck: Seit der Bundestagswahl ist Jamaika zum einzig denkbaren Regierungsbündnis mit einer Mehrheit im Bundestag geworden, und in den Umfragen schnellen die Zustimmungswerte dafür steil nach oben: 59 Prozent finden dem neuen ZDF-„Politbarometer“ zufolge ein solches Bündnis gut, 78 Prozent erwarten, dass es auch dazu kommt.
Ruhe und Gelassenheit für die Verhandlungen
Zwei Wochen vor der Bundestagswahl hatte der Zustimmungswert noch bei 25 Prozent gelegen. Solche Umfrageergebnisse führen denn auch die Realos ins Feld, die sich offenbar mehr und mehr mit Jamaika anfreunden.
„78 Prozent unserer Anhänger haben uns gesagt, wir sollen es versuchen“, sagt der hessische Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir vor den Delegierten. Der Landespolitiker, der in Wiesbaden mit der CDU regiert, rät dem in Berlin gewählten Verhandlungsteam, mit Ruhe und Gelassenheit an die bevorstehenden Sondierungen zu gehen.
Es dürfe „keine Schnappatmung“ geben, sagt er. „Wenn man die Coolness nicht hat, setzt man am Ende auch nichts durch.“ Die Strategen der Partei sehen auch, dass der hohe Erwartungsdruck in Bezug auf Jamaika seit der Wahl mehr und mehr zu einer Bürde wird. „Der Hype um Jamaika ist die größte Herausforderung“, analysiert Robert Habeck.
Sondierungen wohl erst in einigen Wochen
Das Wort des Umweltministers aus Schleswig-Holstein hat Gewicht, schließlich regiert im Norden das derzeit einzige Regierungsbündnis. Bei all der Anspannung kommt es den Grünen gut zupass, dass noch einige Wochen vergehen werden, bis es mit den Jamaika-Sondierungen ernst wird.
Denn nicht zuletzt wegen des internen Klärungsbedarfs bei der Union nach ihrem Wahldebakel werden die Gespräche wohl erst nach der Niedersachsen-Wahl am 15. Oktober beginnen. Die Zeit bis dahin will die Partei nutzen, auch mit Umwelt- und Flüchtlingsverbänden über die Perspektiven eines Jamaika-Bündnisses zu diskutieren, wie Göring-Eckardt ankündigt. Sie spricht der Partei Mut zu und berichtet über den weltbesten Hürdenläufer. Der heißt Omar McLeod - und kommt aus Jamaika. (afp)