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Erfundenes Opfer im NSU-Prozess Erfundenes Opfer im NSU-Prozess: Lügen für mehr Provision - das erfundene Attentat-Opfer

Von Peter Berger 02.10.2015, 16:33

Köln - Ein angebliches Opfer des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße vom 9. Juni 2004, bei dem 22 Menschen verletzt worden waren, existiert offenbar gar nicht. Es handelt sich um eine Frau, die im Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG) gegen die mutmaßlichen Täter des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) als Nebenklägerin zugelassen worden, aber nie persönlich vor Gericht erschienen war.

Ihr Rechtsanwalt Ralph Willms hat am Freitag sein Mandat niedergelegt und Strafanzeige gegen einen anderen Nebenkläger bei der Staatsanwaltschaft Köln erstattet.

Nach einer Erklärung, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, hat der Nebenkläger Attila Ö. die Existenz und Opfereigenschaft der Frau, die in dem Schreiben als „Frau M. K.“ bezeichnet wird und als Meral K. zugelassen wurde, nur vorgetäuscht.

Attila Ö. soll das Mandat von Meral K. an Rechtsanwalt Willms gegen Zahlung einer Provision vermittelt haben, obwohl „die Person nach unserem Kenntnisstand überhaupt nicht existent sein dürfte“, heißt es in der Erklärung der Anwaltskanzlei Bach und Nickel aus Eschweiler, die Willms inzwischen vertritt.

Atilla Ö. erfand auch weitere Zeugin

Demnach hat Attila Ö. immer wieder behauptet, das vermeintliche Opfer befinde sich in der Türkei und habe erhebliche gesundheitliche Probleme. Ein persönlicher Kontakt sei selbst für ihren Anwalt nicht möglich, müsse über ihn erfolgen. Das ist alles offenbar frei erfunden.

Inzwischen steht fest: Attila Ö. hat Meral K. zu Beginn der Hauptverhandlung auch dem Rechtsanwalt Björn Hühne aus Eschweiler gegen Provision als Nebenklägerin angeboten. Diesem berichtete er von einer Sennur Ö., die seine Mutter und Geschädigte des Bombenanschlags sei. Im Gegensatz zu Willms lehnte Anwalt Hühne aber ab. Er wollte keine Provision zahlen.

Eine Frau namens Meral K. wurde aufgrund eines ärztlichen Attestes zugelassen, das Willms im April 2013 an das (OLG) gefaxt hatte. Es ist offenbar gefälscht. „Nähere Einzelheiten hierzu sind Rechtsanwalt Herrn Willms indes nicht bekannt, sollen aber weiteren Nebenklagevertretern mutmaßlich bekannt sein“, heißt es in der Erklärung seiner Anwälte. Nach Recherchen von „Spiegel Online“ hat ein Anwalt für den anderen Nebenkläger Attila Ö. den gleichen Arztbericht eingereicht.

Bis auf die Namen, die ausgetauscht wurden, ist alles identisch. Offenbar ist das beim Oberlandesgericht München niemandem aufgefallen.

Richter platzte der Kragen

Der Betrug kam jetzt ans Licht, nachdem Rechtsanwalt Willms Nachforschungen über seine Mandantin angestellt hatte. Attila Ö. hatte ihm ein Foto des vermeintlichen Opfers Meral K. als Beweis für deren Existenz vorgelegt. Mit dem gleichen Foto hatte er bei Rechtsanwalt Hühne eine Provision für die Vermittlung des Mandats des angeblichen NSU-Opfers Sennur Ö. verlangt.

Am vergangenen Dienstag war dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl im NSU-Prozess der Kragen geplatzt, weil Meral K. sämtliche Ladungen hatte verstreichen lassen. Er hatte Rechtsanwalt Willms unmissverständlich aufgefordert, Nachforschungen zum Verbleib seiner Mandantin anzustellen, die, wie sich jetzt herausstellt, offenbar ein Phantom ist.