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Erfolg und Misserfolg Erfolg und Misserfolg: Wieso die AfD für Leistung und Wettbewerb wirbt

Von Stephan Kaufmann 09.03.2016, 15:54
Wahlplakat der AfD
Wahlplakat der AfD AP

Berlin - In der Zuwanderungsfrage präsentiert sich die Partei Alternative für Deutschland (AfD) gern national und sozial – mit ihrem Kampf gegen Zuwanderung will sie nach eigenen Aussagen die Ärmsten im Lande schützen. Ihre Haltung in wirtschaftlichen Dingen – nimmt man Europa-Fragen mal aus – ist dagegen anders. Hier spielen Deutschland und Armut keine Rolle. Stattdessen dominieren zwei Begriffe: Leistung und Wettbewerb.

„Mut zur Leistung“ plakatiert die AfD und fordert „Wettbewerb statt Gleichmacherei“. Die Leistungsträger würden in Deutschland über Gebühr belastet, klagt sie, leistungsfeindliche Steuern wie hohe Spitzensteuersätze oder Erbschaftsteuer müssten abgeschafft werden. Als wirtschaftsliberale  Partei wird für „Freiheit“ plädiert, also gegen gesetzliche Schranken wie Frauenquoten und den Mindestlohn, den sie als „neosozialistische Romantik“ beschimpft.

Der Markt als natürliche Auslese

Hinter dieser Haltung steht ein Weltbild. Dem zufolge ist der Markt ein Ort, an dem freie Individuen sich gleichberechtigt zum Tausch treffen. Jeder tritt hier an mit seinen Waren und Fähigkeiten. Am Ende setzen sich die Leistungsfähigen durch – also jene, die sich mehr anstrengen oder bessere Eigenschaften mitbringen.

Ergebnis der Freiheit ist also Ungleichheit. Der Markt ist in diesem Sinne Instanz einer natürlichen Auslese. Seine Ergebnisse sind damit immer gerecht, eben leistungsgerecht. Einzige Voraussetzung: Chancengleichheit. Staatliche Eingriffe dagegen sind tendenziell ungerecht und verfälschen die natürliche Sortierung.

Nicht jeder kann Top-Manager sein

Dieses Sittenbild des Marktes als moralische Instanz hat mit dem realen Markt nichts zu tun. Stichwort Chancengleichheit: Was soll das sein? Gleiches Recht, am Wettbewerb teilzunehmen? Dann ist sie weitgehend verwirklicht. Denn niemandem ist es verboten, mitzumachen in der Konkurrenz um Arbeitsplätze.  Gleichzeitig weiß jeder, dass Kinder aus reichen Haushalten auch die besten Jobs erhalten.

„In einer wirklich chancengleichen Gesellschaft ist jemand nur noch aus Gründen ‚unten‘, die in seiner Person liegen“, schreibt Thilo Sarrazin, ein Held der Rechten. Geflissentlich übersehen wird dabei, dass die Konkurrenz um Jobs und Umsatz notwendig Verlierer produziert.  Daran würde sich nichts ändern, selbst wenn theoretisch alle gleich klug und tüchtig wären. Denn die Erfolge der einen sind die Verluste der anderen. Die gesellschaftliche Job-Hierarchie steht schon fest.  Wir können nicht alle Manager sein, egal wie intelligent wir sind. Formal gelten tatsächlich für alle die gleichen Rechte im Wettbewerb. Tatsächlich aber ist der Markt eine Machtfrage. Wenn etwa der VW-Konzern mit seinen mittelständischen Zulieferern über Preise und Leistungen verhandelt, ist relativ klar, wie Sache ausgeht.

Woran Leistung gemessen wird

Stichwort Leistung: Wie wird die gemessen? Nicht daran, wie wichtig eine Arbeit ist – sonst würden Altenpfleger wesentlich besser bezahlt. Ökonomen messen Leistung an der Produktivität. Und die misst sich in der Marktwirtschaft ganz einfach an Umsatz oder Gewinn je Beschäftigtem. Das bedeutet aber: Es kommt nicht darauf an, wie lange jemand arbeitet, wie viel Schweiß und Tränen er am Arbeitsplatz vergießt.

Sondern nur darauf, ob sich seine Arbeitsleistung verkauft und wie rentabel sie für den Betrieb ist. Wer hart arbeitet, dessen Betrieb aber an der Marktlage, der Konjunktur, den Wechselkursen etc. scheitert, der hat ökonomisch nichts geleistet. Nichts. Die AfD dagegen tut so, als könnten wir theoretisch alle erfolgreich sein, wenn wir uns nur alle anstrengen.

Urteile über ganze Nationen leicht gefällt

Der Leistungsfähige hat Erfolg, die anderen sind zu faul oder zu blöd – da dieses Dogma gilt, fällt der Beweis seiner Gültigkeit leicht: Wäre jemand nicht leistungsfähig, hätte er ja auch keinen Erfolg! Umgekehrt „beweist“ der Misserfolg der anderen ihre Untauglichkeit. Alles was es braucht, ist daher nur die Freiheit des Marktes von staatlicher Bevormundung, um die Auslese zu bewerkstelligen und die „Leistungsträger“ zu motivieren, die sich ihren Erfolg als Resultat ihrer hervorragenden Persönlichkeit anrechnen können. Der Rest soll sich in Bescheidenheit üben oder mehr anstrengen.

Da hier vom Markt-Misserfolg auf die „geistige und moralische Armut“ (Sarrazin) der Verlierer rückgeschlossen wird, fällt das Urteil nicht nur über Personen leicht, sondern auch über ganze Nationen: „Tüchtige Deutsche zahlen für faule Griechen und unqualifizierte Wirtschaftsflüchtlinge“. Und damit findet die Ideologie des freien Marktes dann doch noch ihren Anschluss an Nationalismus und Wohlstands-Chauvinismus.