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Entsetzen über Winfried Stöcker in Görlitz Entsetzen über Winfried Stöcker in Görlitz: "Ich würde alle Afrikaner zurückschicken"

Von Bernhard Honnigfort 21.12.2014, 18:36
Der Lübecker Unternehmer Winfried Stöcker im Görlitzer Kaufhaus
Der Lübecker Unternehmer Winfried Stöcker im Görlitzer Kaufhaus Berliner Zeitung/Paulus Ponizak Lizenz

Görlitz - In Wes Andersons wunderbarem Film ist es das „Grand Budapest Hotel“, ein Ort voller Luxus und bester Manieren, in der fiktiven Republik Zubrowka gelegen, ein tadelloses Haus, beherrscht vom feinsinnigen Concièrge Monsieur Gustave H. und Zero, seinem famosen „Lobby boy“. In Wirklichkeit steht das „Grand Budapest Hotel“ mitten in der prunkvollen Altstadt von Görlitz. Es ist das alte, seit Jahren leer stehende Jugendstilkaufhaus, eine verschnörkelte Schönheit, die vergangene Pracht und Reichtum erahnen lässt und gewiss auch deshalb die Kulisse für den wunderlichen Film geben durfte.

So, wie Andersons Film ein traurig-melancholisches Ende nimmt, ergeht es den Görlitzern gerade auch: Sie ärgern sich abgrundtief über Winfried Stöcker, einen 67-jährigen reichen Medizinprofessor und Pharmaunternehmer aus Lübeck, der das Gebäude vor einigen Jahren kaufte und bis vor Kurzem hohes Ansehen in der Stadt genoss. Immerhin war er der „Retter des Kaufhauses“. Aber damit ist es vorbei.

Vergangene Woche bat ein „Willkommensbündnis“ aus Görlitzer Bürgern den reichen Herrn aus Lübeck, im leer stehenden Kaufhaus zu Weihnachten ein Benefizkonzert für in Görlitz aufgenommene Flüchtlinge abhalten zu dürfen. Auch Mitarbeiter Stöckers in Lübeck fanden die Idee gut.

Doch Stöcker sagte rüde ab: „Hätte ich eine Willkommensveranstaltung in unserem Kaufhaus zugelassen, hätte man von mir gedacht, ich hieße die heutige Ausländerpolitik für gut, aber das Gegenteil ist der Fall.“ So zitiert ihn die Sächsische Zeitung, die dann noch anfügte, von all seinen Äußerungen sei das „noch eine der harmlosesten gewesen“.

„Neger millionenfach abgeschlachtet“

Was der Mann im Interview mit dem Lokalblatt von sich gab, klingt sogar deutlich verächtlicher als das, was derzeit auf Dresdner Pegida-Veranstaltungen geschimpft wird: „Vor zwanzig Jahren haben sich in Ruanda die Neger millionenfach abgeschlachtet. Hätten wir die alle bei uns aufnehmen sollen?“ Oder: „Ich würde alle Afrikaner zurückschicken, die ungebeten übers Mittelmeer zu uns kommen.“

Nächstenliebe und Weihnachten, Herr Stöcker? „Firlefanz“ und „Märchen“. Stöckers Unternehmen, die Euroimmun AG, beschäftigt 1700 Menschen aus 50 Ländern. Seine ausländischen Mitarbeiter aber würde er am liebsten im Rentenalter zurück in ihre Heimatländer schicken, zitiert das Blatt Stöcker. Wörtlich über ausländische Arbeitnehmer: „Sie haben nach meiner Auffassung kein Recht, sich in Deutschland festzusetzen und darauf hinzuarbeiten, uns zu verdrängen, darauf läuft es hinaus, wenn nicht gegengesteuert wird!“

Blankes Entsetzen in Görlitz. So einer fehlte gerade noch in der Stadt an der polnischen Grenze. Der parteilose Oberbürgermeister Siegfried Deinege konnte gar nicht glauben, dass in heutiger Zeit noch ein solches Vokabular benutzt werde. „Ich distanziere mich deutlich von den Aussagen des Herrn Stöcker.“

Der katholische Bischof von Görlitz, Wolfgang Ipolt, schickte dem Medizinprofessor einen geharnischten Brief. „Ich halte es für einen Mangel an Respekt, wenn Sie einerseits Menschen aus anderen Ländern als Arbeitskräfte haben, andererseits aber unbedingt verhindern wollen, dass diese sich in Deutschland ,festsetzen‘“, so der Bischof. Und dass er wenige Tage vor Weihnachten dieses Fest als „Firlefanz“ und als „Märchen“ hinstellt, sei nicht hinzunehmen.

Die Stiftung Diakonie-Sozialwerk Lausitz hat nun Geld Stöckers für ein Kinderheim zurückgegeben. „Mit einer Spende setzen wir auch eine inhaltliche Befürwortung unserer Bemühungen und Werte voraus“, begründete die Stiftung die Rückgabe. Stöckers Positionen seien aber menschenverachtend, zynisch und herablassend.

Die NPD spendet Beifall

Rainer Müller, Bankdirektor im Ruhestand und einer der Görlitzer, die sich seit Jahren dafür einsetzen, das alte Kaufhaus wieder mit Leben zu füllen, meinte resigniert, er werde sich von Stöcker abwenden. „Das Thema ist vergiftet, das Kaufhaus auch. Einen größeren Schaden hätte er nicht anrichten können.“

Mag man in Görlitz auch entsetzt sein über Stöcker. „Barmherzigkeit ist kein Märchen“, sagte man sich und traf sich am Sonnabend, als das Kaufhaus verriegelt blieb, unter genau diesem Motto zur Adventsandacht in der Frauenkirche. Am Abend demonstrierten dann fast 300 Menschen gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Das Konzert fand nicht im Kaufhaus, sondern auf dem Görlitzer Christkindelmarkt statt.

Die NPD gratulierte Stöcker zu seinen Äußerungen.