Kommentar zur Elite in Deutschland Elite in Deutschland: Eine Ost-Quote für Spitzenpositionen in Deutschland wäre keineswegs absurd.

Berlin - Es ist noch gar nicht so lange her, dass Probleme wie die mangelnde Repräsentanz Ostdeutscher in den Funktionseliten von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft entweder nicht bekannt waren oder von Westdeutschen tüchtig ignoriert wurden. Die Vereinigung wurde als linearer Prozess betrachtet nach dem banalen Motto: Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Einheit haben wir. Dass Geschichte so nicht funktioniert, haben die letzten Wahlen erneut deutlich gezeigt. Wenn die AfD in Sachsen-Anhalt rund 24 Prozent holt, im benachbarten Niedersachsen aber nur rund sechs Prozent, dann ist dies ein Indiz von vielen dafür, wie groß die Unterschiede zwischen Ost und West immer noch sind. Daran ändert der Umstand, dass der Mauerfall bald länger zurück liegt, als die Mauer überhaupt stand (28 Jahre nämlich), gar nichts.
Solange zumindest die älteren Ostdeutschen die Welt anders sehen als die Westdeutschen und in ihr anders agieren, führt die mangelnde Repräsentanz Ostdeutscher in den Eliten, vor allem in den Eliten Ostdeutschlands, zu einer größeren Distanz zu den Institutionen und damit zur Demokratie. Dies ist, neben dem Gerechtigkeitsaspekt, der springende Punkt. Deshalb gehen auch jene in die Irre, die den Unterschied zwischen Ost und West gleichsetzen mit dem Unterschied von Nord und Süd. Das ist unpolitischer Quatsch.
Das Problem muss überhaupt erst zur Kenntnis genommen werden
Nun ist es schwierig, der Eliten-Misere zu begegnen. Eine Ost-Quote – wie Frauen- oder Migrantenquoten an und für sich durchaus bedenkenswert – wäre faktisch wie rechtlich problematisch, weil sich zunehmend selten sauber trennen lässt, wer Ost- und wer Westdeutscher ist. In der Praxis würde eine solche Quote überdies neue Gräben aufreißen. Landeskinder-Regelungen wären gewiss eher möglich und machbar.
Wichtig ist, dass das Problem überhaupt zur Kenntnis genommen wird und der realistische Blick auf die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse die Ignoranz ersetzt, die wir im Kontext der Einheit zu oft hatten und zuweilen unverändert haben. Vieles hat sich angeglichen, ja. Vieles in Ostdeutschland ist gut und besser als in anderen Teilen Osteuropas. Das, was nicht gut ist, muss sich aber bessern. Und dazu sind Debatten unumgänglich.