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Elektronischer Personalausweis Elektronischer Personalausweis: Was die Bundesrepublik mit dem Millionen-Flop vorhat

Von Steffen Könau 03.06.2017, 08:00
Zukunft aus einer längst vergangenen Vergangenheit: Mit einem Lesegerät, das bis heute kaum ein Bürger besitzt, sollte der E-Perso den Zugang zu digitalen Dienstleistungen ermöglichen.
Zukunft aus einer längst vergangenen Vergangenheit: Mit einem Lesegerät, das bis heute kaum ein Bürger besitzt, sollte der E-Perso den Zugang zu digitalen Dienstleistungen ermöglichen. dpa

Zuletzt kamen tolle Nachrichten aus dem Elbe-Elster-Kreis. Ab Oktober wird es dort möglich sein, sein Auto mit Hilfe des elektronischen Personalausweises an-, ab- oder umzumelden. Der Landkreis im Brandenburgischen liegt damit ziemlich weit vorn - die Landesverwaltung in Sachsen-Anhalt etwa kennt auch im zehnten Jahr nach dem Beschluss zur Einführung des E-Perso nur eine Anwendungsmöglichkeit für das einstige Zukunftsprojekt: Bürger können ihre Steuererklärung damit elektronisch signieren. Das war es.

Dabei sollte die kleine Plastikkarte, die auf einem unsichtbaren Chip neben den reinen Ausweisdaten auch zwei Fingerabdrücke des Inhabers enthalten kann, nichts weniger einläuten als eine Revolution. Bund und Ländern versprachen einen Schub zur neudeutsch „E-Government“ genannten elektronischen Nachrichtenübermittlung zwischen Bürgern und Behörden.

Mit nichts weiter als seinem Ausweis, einem Lesegerät, einem Computer und einem Internetanschluss sollte sich eine schöne neue Welt für alle öffnen: Sicheres Einkaufen im Netz, Identifizierung bei Ämtern, Kommunikation mit dem Rathaus und behördlich garantiertes Speichern von Daten in einem „Bürger-Safe“ - all das sollte die 40 Millionen Euro teure Einführung des E-Perso möglich machen.

Geworden ist nichts daraus. Bis heute liest sich die Liste der Behörden und Unternehmen, die eine Anwendung des elektronischen Personalausweises anbieten, wie das Branchenbuch von Kleinkleckersdorf. Und weil es kaum Anwendungsmöglichkeiten für das staatliche Chip-Kärtchen gibt, halten sich auch die Bürger zurück. Amtlichen Angaben zufolge besitzen 61 Millionen Bürger einen E-Chip-fähigen Ausweis. Aber nur rund 30 Prozent von ihnen haben die elektronische Funktion der offiziell „nPA“ (wie „neuer Personalausweis“) genannten Karte freischalten lassen.

Zwei von drei Bürgern verzichten damit darauf, ihren Ausweis zur Identifikation im Netz zu nutzen, und setzen lieber weiter auf die Kreditkarte. Auch haben 85 Prozent der Ausweisbesitzer, die die eID-Funktion aktivieren ließen, sie dann doch nicht genutzt. Der nPA wird offenbar als mögliches Datenschutzrisiko gesehen, das Nutzer minimieren, indem sie es ignorieren.

Das geht gut, denn bis heute findet sich auf der Seite personalausweisportal.de nicht ein einziger großer Internetshop, bei man sich mit dem E-Perso identifizieren könnte. Entsprechend sieht die Nachfrage nach der Perso-App aus, die nach Angaben der Macher „leider noch nicht für alle Smartphones“ angeboten wird. Nicht mehr als 50 000 Mal wurde sie heruntergeladen.

Der nPA ist ein totes Pferd, ein gescheitertes Stück Zukunft. Doch das soll sich jetzt ändern. Öffentlich kaum bemerkt, hat der Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition eine Änderung des Personalausweisgesetzes beschlossen, die die Ära der Freiwilligkeit beim E-Perso beendet. Künftig wird die Onlinefunktion standardmäßig aktiviert, wenn der Besitzer dem nicht widerspricht.

Wie das „Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises“ weiter festlegt, erhalten die „Polizeibehörden des Bundes und der Länder, der Militärische Abschirmdienst, der Bundesnachrichtendienst, die Verfassungsschutzbehörden, Steuerfahndungsdienststellen, der Zollfahndungsdienst und die Hauptzollämter“ zudem das Recht, die gespeicherten Lichtbilder der Ausweisinhaber „zur Erfüllung ihrer Aufgaben im automatisierten Verfahren“ abzurufen.

Dazu benötigt die jeweils abrufende Behörde keinen Richterbeschluss, sie muss niemandem über erfolgte Abrufe Rechenschaft ablegen und die Betroffenen nicht einmal im Nachhinein informieren. Auch für die Datenschutzbehörden ist damit nicht nachvollziehbar, welche Behörden in welchem Umfang und zu welchem Zweck Lichtbilder abgerufen haben.

Mit  Hilfe  moderner  Gesichts-erkennungsverfahren eröffnen sich hier nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, Aufnahmen aus Überwachungskameras zu nutzen, um mit Hilfe der Lichtbilderdatenbanken automatisierte Abgleiche durchzuführen, mit deren Hilfe der Aufenthaltsort beliebiger Personen jederzeit festgestellt werden kann. Ein Szenario wie aus einem verrückten Science-Fiction-Film.

Für Datenschützer ein Alptraum. „Die Beschränkung des Online-Abrufs der Lichtbilder war eingeführt worden, um zu verhindern, dass die biometrischen Gesichtsbilder zur Massenüberwachung genutzt werden“, kritisiert die Akademie für Informationsfreiheit des früheren Bundesdatenschützers Peter Schaar.

Vergebens: Die Online-Funktionen des E-Perso sollten doch nur „leichter und attraktiver werden“, heißt es im Bundesrat, der dem „Big-Brother-Gesetz“ (Schaar) gestern zustimmte. Das Gesetz kann damit am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Der Zugriff auf die Lichtbilder aller Bürger startet allerdings erst im nächsten Jahr. Das hat technische Gründe: Behörden bräuchten „Vorlauf für die Sicherstellung des automatisierten Lichtbildabrufs“. (mz)