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Einweihung mit Thomas de Maizière Einweihung mit Thomas de Maizière: Umstrittener Hauptsitz des Bundesinnenministeriums eröffnet

Von Markus Decker 09.06.2015, 14:31

Berlin - Der Bundesminister des Innern war am Dienstag sichtlich gut gelaunt. Nur einmal wurde Thomas de Maizière (CDU) bei seiner Begrüßung zur Einweihung des neuen Bundesinnenministeriums deutlich. Da sagte er: „Wir sind noch geduldig bei der Abarbeitung der Mängel, erwarten aber, dass dies nach und nach wirklich geschieht.“ Ja, er sagte: „noch geduldig“. Nicht allein der Minister, auch andere Redner erklärten, man müsse die Immobilie „trocken wohnen“. Das klang bedenklich. Mitarbeiter des Hauses relativierten hingegen, es handele sich hier lediglich um Kleinigkeiten. Niemand wollte den schönen Augenblick trüben.

Tatsache ist: Das Domizil unweit des Kanzleramtes und vielleicht eineinhalb Kilometer vom alten Standort entfernt wurde innerhalb der geplanten Bauzeit von fünf Jahren fertig. Es kostet auch nicht mehr als erwartet, nämlich 208 Millionen Euro. De Maizière rühmte die moderne Technik und dass bald fast alle Mitarbeiter, auch die aus Bonn, demnächst an diesem Standort versammelt seien. „Jetzt kann miteinander gesprochen werden“, erklärte er – über intern existierende Gräben hinweg.

Den rund 1400 Angestellten des Ministeriums stehen 1397 Arbeitsplätze zur Verfügung. In Bonn verbleiben im Wesentlichen bloß noch die Sportabteilung, eine Unterabteilung des Bereichs Migration, die Reisestelle, die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung und die Bundesbeauftragte für den Datenschutz samt Stab. Letztere soll ohnehin unabhängig werden. Damit macht der gebürtige Bonner de Maizière wahr, was er erklärtermaßen will: den de-facto-Komplettumzug vom Rhein an die Spree.

Umstrittene „Schießscharten-Architektur“

Die Beschaffenheit des Ministeriums ist allerdings nicht unumstritten. Zwar rühmte der federführende Architekt Thomas Müller das Bauwerk. Was sollte er auch sonst tun? Es handele sich um ein transparentes Haus, das wie eine Treppe errichtet sei, da die Zahl der Stockwerke in den hinteren Gebäudeteilen ansteige, sagte er. Freilich war es de Maizière selbst, der die Kritiker zitierte, von denen einige die Fassade als „Schießscharten-Architektur“ gegeißelt hatten – um hinzuzufügen, dass er diese Charakterisierung „nicht richtig“ finde. Müller fand sie natürlich erst recht nicht richtig und nannte die Fassade stattdessen „filigran, sehr plastisch und transparent“.

Weniger Interpretationsspielraum gibt es augenscheinlich bei den Verhältnissen im Inneren. Zuletzt war bekannt geworden, dass Unbekannte Wasserhähne, Klobrillen und ähnliches gestohlen hatten; Vergleichbares war auch im Neubau des Bundesnachrichtendienstes passiert. Überdies gibt es an den Innenwänden des Bundesinnenministeriums teilweise Kratzer, die Schließanlage und die Rollläden funktionierten zumindest anfangs nicht. Die Vokabel „trocken wohnen“ sollte deshalb nicht auf Feuchtigkeit hindeuten, sondern auf einen Zustand, in dem all die benannten Mängel beseitig sind.

Ungeachtet dessen ließ der Minister das Gebäude segnen und dabei zwei der schönsten Kirchenlieder überhaupt singen, nämlich „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ sowie „Großer Gott, wir loben dich“. Und der evangelische Prälat Martin Dutzmann sprach sogar davon, dass sich Politik und Bergpredigt sehr wohl vereinbaren ließen und nannte in dem Kontext den Umgang mit Flüchtlingen. Schwarz gekleidete Demonstranten vor der Tür sahen das mit Blick auf die aktuellen Ereignisse anders. Sie hatten ein Dutzend schwarze Särge mitgebracht und skandierten an die Adresse des Hausherrn und Bundesflüchtlingsministers „Wegschauen tötet – Seenotrettung jetzt“.