Einstellungen zu Flüchtlingen Einstellungen zu Flüchtlingen: "Refugees not welcome"? - Willkommenskultur bröckelt

Berlin - Was für ein weltoffenes, großzügiges Land! Da applaudieren Menschen an Bahnhöfen Flüchtlingen, die aus den Zügen kommen. Sie drücken Kindern aus Kriegsgebieten Spielzeug in die Hand. Diese Szenen aus dem September 2015 erinnern an die Stimmung, die bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland herrschte. Deren Slogan lautete: „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Doch liefern diese Szenen ein realistisches Bild von der Haltung der Gesamtbevölkerung? Oder ist nicht gerade durch die Flüchtlingskrise die Skepsis gegenüber Fremden wieder gewachsen?
Letzteres ist offenkundig der Fall. Die Willkommenskultur hat im Verlauf der letzten beiden Jahre abgenommen – und zwar sowohl unter den Menschen in Deutschland insgesamt als auch unter denen, die selbst eine Migrationsgeschichte haben. Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, die von der Mercator-Stiftung gefördert wurde. Für sie wurden Ende 2013/Anfang 2014 und Ende 2015/2016 jeweils mehr als 1500 Menschen in einer repräsentativen Zufallsauswahl befragt.
37 Prozent lehnen stärkere Willkommenskultur ab
„Die Verhältnisse kippen“, warnt der Sozialpsychologe und Studienautor Andreas Zick. Dass eine kulturell vielfältige Gesellschaft weniger geschätzt werde, sei etwas, was Sorgen bereiten müsse, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD), die bei der Vorstellung der Studie zugegen war.
Die Zahlen lassen zwar keine katastrophale Entwicklung erkennen, aber doch eindeutige Trends. Vor zwei Jahren gaben noch 36 Prozent der Menschen an, eine stärkere Willkommenskultur würde sie freuen. 31 Prozent lehnten dies ab, der Rest war unentschieden. Jetzt wünschen sich nur noch rund 28 Prozent eine stärkere Willkommenskultur im Land, während fast 37 Prozent diese ablehnen.
Dieser Unterschied lässt sich teils sicher auch darauf zurückführen, dass es vor zwei Jahren in mancherlei Hinsicht leichter war, sich für eine offene Haltung gegenüber Migranten auszusprechen. Damals dachten viele bei Neuankömmlingen auch stark an Ingenieure und Facharbeiter. Heute denkt jeder an Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder von anderswo.
Auch Migranten fürchten sozialen Verdrängungswettbewerb
Dass sich ablehnende Haltungen gegenüber Einwanderern und Flüchtlingen verstärken, lässt sich allerdings an zahlreichen Indikatoren festmachen. Die Grundbotschaft dabei lautet: Immer mehr Alteingesessene in der Gesellschaft pochen auf ihre Vorrechte. „Der sollte sich hinten anstellen, wenn es nicht für alle reicht.“ Das ist ein Satz, dem in Bezug auf neu hinzukommende Migranten vor zwei Jahren knapp 17 Prozent der Menschen zustimmten. Jetzt sind es immerhin rund 26 Prozent. „Der sollte auf keinen Fall Forderungen stellen oder Ansprüche erheben.“ Einer solchen Forderung schlossen sich bei der ersten Befragung knapp 20 Prozent an, mittlerweile sind es 32,5 Prozent.
Interessant ist dabei auch, dass sich hier Menschen mit Migrationshintergrund, die schon länger im Land sind, nicht vom Rest der Gesamtbevölkerung unterscheiden. Auch sie finden in zunehmender Zahl: Die Bedürfnisse derjenigen, die neu dazukommen, müssen im Zweifel erst mal zurückstehen. Wie es zu dieser Haltung kommt, haben die Forscher nicht untersucht. Eine mögliche Erklärung ist, dass ein Teil der Migranten einen sozialen Verdrängungswettbewerb fürchtet.
Eine andere mag sein, dass mancher fürchtet, durch die vielen Flüchtlinge verändere sich die Stimmung im Land auch zu den eigenen Ungunsten. Die Forscher können dieser Entwicklung aber sogar auch etwas Positives abgewinnen. Dass die Werte von Migranten und dem Rest der Bevölkerung sich hier anglichen, sei letzten Endes ein Zeichen der Integration.