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Ein Jahr nach Kriegsbeginn Ein Jahr nach Kriegsbeginn: Der Angriff auf den Irak spaltet weiterhin die Welt

Von Christoph Driessen und Laszlo Trankovits 16.03.2004, 20:26
US-Präsident George W. Bush kündigt weniger als zweieinhalb Stunden nach Ablauf des Ultimatums an Saddam Hussein am 19.3.2003 im Oval Office im Weißen Haus in Washington einen umfassenden Krieg gegen den Irak an (Archivfoto). Am 20. März 2003 griffen die USA und Großbritannien ohne UN-Mandat den Irak an. Nach dreiwöchigem Krieg war das Regime von Präsident Saddam Hussein gestürzt. Am 1. Mai erklärte US-Präsident George Bush die «größeren Kampfhandlungen» für beendet. Seitdem tobt ein Guerillakrieg gegen die Besatzer. Hauptgrund für den dritten Golfkrieg war die angebliche Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen. (Foto: dpa)
US-Präsident George W. Bush kündigt weniger als zweieinhalb Stunden nach Ablauf des Ultimatums an Saddam Hussein am 19.3.2003 im Oval Office im Weißen Haus in Washington einen umfassenden Krieg gegen den Irak an (Archivfoto). Am 20. März 2003 griffen die USA und Großbritannien ohne UN-Mandat den Irak an. Nach dreiwöchigem Krieg war das Regime von Präsident Saddam Hussein gestürzt. Am 1. Mai erklärte US-Präsident George Bush die «größeren Kampfhandlungen» für beendet. Seitdem tobt ein Guerillakrieg gegen die Besatzer. Hauptgrund für den dritten Golfkrieg war die angebliche Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen. (Foto: dpa) AFP

Washington/London/dpa. - Ein Jahr nach Beginn des Irak-Kriegs spaltet der Konflikt noch immer die Welt. Der Waffengang gegen den Diktator Saddam Hussein hat den Westen entzweit, manche Gräben zwischen westlicher und islamischer Welt vertieft - aber nach Ansicht von US-Präsident George W. Bush und Großbritanniens Premierministers Tony Blair die Welt zum Besseren verändert.

   Beide sind jedoch wegen der fragwürdigen Kriegsbegründung innenpolitisch heftig unter Beschuss. «Rücksichtslos und arrogant» sei die US-Politik, meint der demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry und beschuldigt Bush, ihn und das ganze Land irregeführt zu haben. Da im Irak weder Massenvernichtungswaffen noch Belege für eine Kooperation Saddams mit dem Terror-Netzwerk El Kaida gefunden wurden, haben Bush und Blair erhebliche Probleme mit ihrer Glaubwürdigkeit.

   In beiden Ländern wird gefragt, ob die Regierungen sich nur fatal geirrt oder aber gelogen haben. Da Terror und Widerstand weiter den Weg zur Befriedung des Irak überschatten, zweifeln immer mehr Amerikaner und Briten, ob der Blutzoll der Besatzungstruppen und die enormen Kosten für den Feldzug im Orient gerechtfertigt sind.

   Über die wahren Hintergründe des Kriegs werden Politiker und Historiker noch lange streiten. Selbst scharfe Bush-Kritiker wie der Philosoph Noam Chomsky glauben nicht, dass vordergründige Öl- Interessen den Ausschlag gaben. Große Einigkeit besteht darin, dass der Nahe und Mittlere Osten «für die nächsten Jahrzehnte die unsicherste und gefährlichste Weltregion bleibt, mit dem explosiven Potenzial, die Welt ins Chaos zu stürzen», so Zbigniew Brezinski, Ex- Sicherheitsberater des früheren Präsidenten Jimmy Carter. Die Frage sei nur, ob der Irak-Krieg die richtige Antwort darauf war.

   Für diesen Krieg sind vor allem die Neokonservativen um Bush verantwortlich. Sie forderten schon lange eine präventive, offensive und im wesentlichen unilaterale Strategie für die US-Politik des 21. Jahrhunderts. Sie sehen die Gefahren für Sicherheit und Weltfrieden vor allem aus der islamischen Welt kommen. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben sie nur bestätigt - und Bush endültig zur Offensive ermutigt. Demnach wären die Kriege in Afghanistan und im Irak nur der Start für eine neue, US-dominierte Weltordnung. Bush glaubt an die «Mission» der USA, weltweit Demokratie und Menschenrechte verbreiten zu können.

   Begründet wurde der Krieg aber vor allem mit der «unmittelbaren Bedrohung», die die Waffen des Irak bedeuteten, so Blair 2003. Er setzte noch mehr als Bush auf die «Beweise» für die Gefährlichkeit Saddams. Bush hatte es leichter, die von den Terroranschlägen verunsicherten Amerikaner für eine Politik gegen die «Schurken» in der Welt zu mobilisieren.

   Heute haben sich die meisten «Beweise», die US-Außenminister Colin Powell vor dem Krieg den UN präsentierte, als falsch entlarvt. Es war ausgerechnet US-Waffeninspekteur David Kay, der das Scheitern bei der Suche nach Atom- oder Chemiewaffen eingestand. Auch wenn Powell die US-Politik nach wie vor verteidigt, gibt es Hinweise auf seine persönliche Verunsicherung über die Sinnhaftigkeit des Krieges.

   Für die «neocons» (Neokonservativen) wie Verteidigungsminister Donald Rumsfeld oder Vizepräsident Dick Cheney, die stets an der Handlungsfähigkeit der UN oder der NATO zweifelten, fällt die Kriegs- Bilanz positiv aus. Ein grausamer Dikator sei entmachtet. Der rasche Sieg und die Festnahme Saddams seien herbe Schläge für das Selbstbewußtsein arabischer Nationalisten gewesen. Die Entschlossenheit der USA vor Augen hätte Libyen der Abrüstung von Massenvernichtungswaffen zugestimmt. Auch die Kompromisse Irans bei der Nuklearnutzung sei auf die Politik von Zuckerbrot und Peitsche zurückzuführen.

   Verfechter des Neokonservativismus gibt es auch in Großbritannien. Der Historiker Niall Ferguson spricht vom «liberalen Imperialismus» und betont die positive Rolle kolonialer und imperialer Mächte - einst unter der britischen Krone, heute unter der Führung des Weißen Hauses. Die USA müssten ihrer «imperialen Verantwortung» gerecht werden und in der Welt aktiv Demokratie und Kapitalismus verbreiten.

   Explizit hat sich Blair nie zu dieser Ideologie bekannt. Allerdings plädiert auch er für die Offensive: «Unsere Werte sind keine westlichen Werte.(...) Es sind menschliche Werte, und überall und zu jeder Zeit nehmen Menschen sie an, wenn sie nur die Gelegenheit dazu bekommen.» Der Irak bleibt ein Prüfstein für diese Sicht.

   Der rechte Bush und der linke Blair scheinen sich einig, dass die Welt der Führung durch die USA bedarf. Blair bezeichnete die Forderung des französischen Präsidenten Jaques Chirac nach einer «multipolaren Welt» sogar als möglichen Beginn einer «Katastrophe». Nur als strategischer Partner der «unipolaren Macht USA» könne Europa mächtiger werden, meinte Blair.

Rauchschwaden steigen am 21.03.2003 von einem Präsidentenpalast in Bagdad nach Luftangriffen auf (Archivfoto). Am 20. März 2003 griffen die USA und Großbritannien ohne UN-Mandat den Irak an. Nach dreiwöchigem Krieg war das Regime von Präsident Saddam Hussein gestürzt. Am 1. Mai erklärte US-Präsident George Bush die «größeren Kampfhandlungen» für beendet. Seitdem tobt ein Guerillakrieg gegen die Besatzer. Hauptgrund für den dritten Golfkrieg war die angebliche Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen. (Foto: dpa)
Rauchschwaden steigen am 21.03.2003 von einem Präsidentenpalast in Bagdad nach Luftangriffen auf (Archivfoto). Am 20. März 2003 griffen die USA und Großbritannien ohne UN-Mandat den Irak an. Nach dreiwöchigem Krieg war das Regime von Präsident Saddam Hussein gestürzt. Am 1. Mai erklärte US-Präsident George Bush die «größeren Kampfhandlungen» für beendet. Seitdem tobt ein Guerillakrieg gegen die Besatzer. Hauptgrund für den dritten Golfkrieg war die angebliche Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen. (Foto: dpa)
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US-Außenminister Colin Powell präsentiert am 5.2.2003 vor dem Weltsicherheitsrat in New York ein Röhrchen mit weißem Pulver, das angeblich Antrax-Erreger enthält (Archivfoto). Mit Zurückhaltung hat der Weltsicherheitsrat den Irak-Bericht von Powell aufgenommen. Am 20. März 2003 griffen die USA und Großbritannien ohne UN-Mandat den Irak an. Nach dreiwöchigem Krieg war das Regime von Präsident Saddam Hussein gestürzt. Am 1. Mai erklärte US-Präsident George Bush die «größeren Kampfhandlungen» für beendet. Seitdem tobt ein Guerillakrieg gegen die Besatzer. Hauptgrund für den dritten Golfkrieg war die angebliche Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen. (Foto: dpa)
US-Außenminister Colin Powell präsentiert am 5.2.2003 vor dem Weltsicherheitsrat in New York ein Röhrchen mit weißem Pulver, das angeblich Antrax-Erreger enthält (Archivfoto). Mit Zurückhaltung hat der Weltsicherheitsrat den Irak-Bericht von Powell aufgenommen. Am 20. März 2003 griffen die USA und Großbritannien ohne UN-Mandat den Irak an. Nach dreiwöchigem Krieg war das Regime von Präsident Saddam Hussein gestürzt. Am 1. Mai erklärte US-Präsident George Bush die «größeren Kampfhandlungen» für beendet. Seitdem tobt ein Guerillakrieg gegen die Besatzer. Hauptgrund für den dritten Golfkrieg war die angebliche Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen. (Foto: dpa)
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März 2003: Kriegsbeginn im Irak (Grafik: dpa)
März 2003: Kriegsbeginn im Irak (Grafik: dpa)
dpa