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Egon Krenz wird 80 Egon Krenz wird 80: Letzten Staatsratsvorsitzenden der DDR lässt die Politik nicht los

Von Markus Decker 17.03.2017, 17:50
SED-Generalsekretär Egon Krenz spricht mit Heinz Rudolf Kunze.
SED-Generalsekretär Egon Krenz spricht mit Heinz Rudolf Kunze. dpa

Ribnitz-Damgarten - Egon Krenz hat die geplante Feier zu seinem 80. Geburtstag abgesagt. Auch Interviews gibt er gerade nicht. Am Telefon sagte der einstige Staats- und Parteichef der DDR der MZ lediglich, er sei mit seinen Gedanken woanders. Denn Krenz’ Frau Erika ist am 4. März gestorben – wenige Wochen nachdem sie eine Krebsdiagnose erhalten hatte. Die beiden waren 56 Jahre verheiratet.

Krenz wird am Sonntag 80 Jahre alt. Und er ist neben Hans Modrow einer der letzten prominenten Repräsentanten eines Staates, der vor bald 27 Jahren unterging.

Für ehemalige Genossen ist Krenz weiter der Unbeugsame. Er habe eine kritische Sicht auf die DDR, sagen sie in der Linkspartei, die aus der PDS hervorging, die ihrerseits Nachfolgepartei der SED war. „Aber er hat Haltung bewiesen und ist nicht auf allen Vieren gekrochen.“ Anders als Politbüromitglied Günter Schabowski, soll das heißen, der nach 1989 in Sack und Asche ging. Allerdings sei Krenz viel zu spät gegen Erich Honecker aufgestanden, der mit seinem Spruch „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs’ noch Esel auf“ die Zeichen der Zeit nicht mehr verstand. So habe das System den Neuen „zu einer tragischen Figur werden lassen“.

Tatsächlich hat der 1937 Geborene in der DDR eine steile Karriere gemacht. Aus dem Bezirk Rostock kommend, war er von 1961 bis 1964 Sekretär des Zentralrats der Freien Deutschen Jugend. Danach besuchte er die Moskauer Parteihochschule und stieg 1974 zum Vorsitzenden des FDJ-Zentralrats auf. Nachdem Krenz 1984 zum Stellvertreter des Staatsratsvorsitzenden ernannt wurde, galt er als Honeckers designierter Erbe und löste ihn im Wende-Oktober 1989 ab. Krenz warb für eine reformierte DDR. Doch da hatte die friedliche Revolution längst eine unaufhaltsame Dynamik entfaltet. Nach 50 Tagen musste der Mann aus Ribnitz an der Ostsee ebenfalls gehen.

Eine Frau, die Krenz Jahre vorher beruflich begleitet hatte, hat einen präsenten und jovialen FDJ-Chef in Erinnerung – einen, der schon wegen seiner schieren Körpergröße herausragte. Dabei sei der Gefühlsmensch nie übergriffig gewesen – auch wenn er es sich auf einer Auslandsreise in Angola herausnahm, ihr Mücken-Spray unters Kleid zu sprühen.
Jene, die der SED in Gegnerschaft verbunden waren, konnten in den 90er Jahren mit Krenz ins Gericht gehen. Vor einem solchen landete er schließlich auch. 1993 erhob die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage wegen Totschlags und Mitverantwortung für das DDR-Grenzregime. Der Prozess endete 1997 mit einer Verurteilung zu sechseinhalb Jahren Haft. 2003 wurde Krenz entlassen – und spürt die Folgen bis heute.

„Egon Krenz muss noch jeden Monat Gerichtskosten an die Berliner Justizkasse bezahlen“, sagt sein langjähriger Freund und Verleger Frank Schumann. „Es handelt sich insgesamt um einen sechsstelligen Betrag. Denn er haftet gesamtschuldnerisch, weil die Mitangeklagten Günter Schabowski und Günther Kleiber schon gestorben sind. Allein deshalb kann er den Umgang mit ihm nicht vergessen.“ Der Jubilar selbst sagt mit Blick auf die DDR: „Ich erwarte keine Loblieder. Die Wahrheit aber schon.“ Es habe „nicht nur Widerständler gegeben, sondern Millionen Menschen, die gerne in der DDR gelebt und das Land aufgebaut haben“.

Es ist denn auch nicht so, dass Krenz sich versteckt. Er hat sich in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, bei einer Wahlkampfveranstaltung Bodo Ramelows an der Küste, beim Gedenken an Walter Ulbricht auf dem Friedhof Friedrichsfelde, bei einer Buchvorstellung in Berlin-Mitte. Im Herbst erschien ein Gesprächsband mit dem Liedermacher Heinz Rudolf Kunze, der sich von Krenz beeindruckt zeigte. Zudem ist er international unterwegs. So referierte Krenz im Oktober in St. Petersburg – auf Russisch. Ende März folgt ein Vortrag an der Universität Minsk. „Es geht ihm sehr gut“, sagt sein Freund Frank Schumann. „Er ist physisch und psychisch voll da. Er fühlt sich nicht wie 80.“ Um fit zu bleiben, übe sich Krenz täglich in vier Kilometer schnellem Gehen.

Die Bilanz der ehemaligen Opposition fällt vergleichsweise milde aus. „Zum 80. Geburtstag wünsche ich dem Menschen Egon Krenz alles Gute und vor allem Gesundheit“, sagt der Vorsitzende der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft, Dieter Dombrowski. „Dem SED-Politiker Krenz wünsche ich die Bereitschaft, sich mit seinem eigenen Anteil an der Unrechtgeschichte der DDR kritisch auseinanderzusetzen.“ Der Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer findet: „Man muss diesem ewigen FDJler auch gerecht werden. Denn Krenz hat den Schießbefehl für den 4. und den 9. November aufgehoben. Er erfüllte nicht alle in ihn gesetzten Befürchtungen.“

Im Übrigen hat Schorlemmer, der Pfarrer aus Wittenberg, noch eine Episode parat. So habe er während Krenz’ Haft einen Artikel verfasst, der diesem zu kritisch gewesen sei. Daraufhin habe Krenz mehrmals an ihn geschrieben. Als der Absender auf den zweiten Brief immer noch keine Antwort erhielt, habe er den Adressaten aus dem Gefängnis angerufen  und gefragt, ob der Brief angekommen sei. Schorlemmer habe darauf nur mit einen Satz geantwortet: „HEUTE kommen Briefe an.“ (mz)