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Drogenhandel Drogenhandel: Mohnanbau in Afghanistan nimmt wieder zu

11.05.2006, 12:23
Mohnblüten in einem Mohnanbaugebiet in der Provinz Kandahar in Afghanistan. (Foto: dpa)
Mohnblüten in einem Mohnanbaugebiet in der Provinz Kandahar in Afghanistan. (Foto: dpa) dpa

Masar-i-Scharif/Kabul/dpa. - «Ich weiß nicht, wie ichjetzt meine Familie ernähren soll», sagt er. Seine Stimme zittertvor Wut und Enttäuschung. Nicht nur Rasul hat es getroffen: DieBehörden vernichten dieses Jahr nach Einschätzung der VereintenNationen weit mehr Schlafmohnfelder als in der Vergangenheit. Dochtrotz aller Bemühungen hat der Mohnanbau am Hindukusch zurHerstellung von Rohopium, dem Grundstoff für Heroin, wiederzugenommen.

Dabei hatte es im vergangenen Jahr erstmals Erfolgsmeldungengegeben - die sich nun allerdings als kurzlebig herausstellen. Um21 Prozent war die Anbaufläche 2005 zurückgegangen, in früherenDrogenprovinzen wie Nangarhar im Osten des Landes war so gut wiekein Schlafmohn mehr gewachsen. Die Händler allerdings nutzten dieReduktion, um die Preisspirale nach oben zu drehen undgleichzeitig ihre Lagerbestände abzubauen. Inzwischen blüht derMohn in weiten Teilen Afghanistans wieder. «In den meistenProvinzen erwarten wir in diesem Jahr einen Anstieg», sagt dieAfghanistan-Vertreterin des UN-Büros für Drogen und Kriminalität(UNODC), Doris Buddenberg.

So bleibt Afghanistan weiterhin unangefochten MohnanbaulandNummer eins. Nach UNODC-Angaben stammen weltweit 87 Prozent allenHeroins aus Afghanistan. Zwei Millionen der rund 23 MillionenAfghanen sind in den Drogenanbau verwickelt. Den Exportwert desRauschgifts schätzte UNODC im vergangenen Jahr auf 2,7 MilliardenDollar - mehr als die Hälfte des offiziellen BruttosozialproduktsAfghanistans von 5,2 Milliarden Dollar. Ein Hektar Mohn erbrachteim vergangenen Jahr 5500 Dollar. Mit Weizen ließ sich gerade malein Zehntel davon verdienen.

Der Anbau der Opiumpflanze gilt inzwischen als ähnlich großeBedrohung für Sicherheit und Stabilität wie der Terrorismusin Afghanistan - wobei beides nicht klar zu trennen ist. DieDrogenhändler hätten Verbindungen zu den Taliban und zu Milizen,sagt der EU-Sondergesandte Francesc Vendrell - und zu lokalenBehörden. Ein anderer Vertreter der Internationalen Gemeinschaftbeklagt: «Die Korruptionsmöglichkeiten sind geradezuüberwältigend.» Trotz aller Anti-Korruptions-Bemühungen seien «dieStrukturen nicht gebrochen». Mächtige Drogenhändler erkauften sichihre Protektion.

Im Kampf gegen den Mohnanbau in Afghanistan müsse man einenlangen Atem behalten, sagt Buddenberg. «Das Problem ist in 20Jahren gewachsen, das lässt sich nicht in ein, zwei Jahrenerledigen.» Entsprechende Hoffnungen in der Vergangenheit seien«von vornherein unrealistisch» gewesen. Buddenberg schätzt, dassder langfristige Trend beim Anbau nach unten gehe - vorausgesetztallerdings, die Heroin-Nachfrage steige nicht. Während sich derAbsatz in Europa und den USA stabilisiert habe, wüchsen die neuenMärkte in Russland und China. «Das ist eine große Gefahr», sagtBuddenberg.

Die Vernichtung der Felder alleine wird den Mohnanbau nichtstoppen. Zu groß ist der Profit, zu gering sind die Mittel jener,die gegen die Drogen kämpfen. Im vergangenen Jahr gelang es gerademal, 5000 der 104 000 Hektar Schlafmohn zu vernichten. In diesemJahr wird zwar mehr zerstört - aber eben auch wieder mehrangebaut. Immer noch ist es nicht gelungen, den Lebensstandard derweitgehend armen Bauern zu heben und sie von Alternativen zum Mohnzu überzeugen. «Im ländlichen Entwicklungsbereich wird bei weitemnicht genug gemacht», sagt Buddenberg. «Die InternationaleGemeinschaft leistet nur punktuell, unkoordiniert und zu wenig.»

Das Umpflügen der Schlafmohnäcker bringt allerdings erheblichenDruck auf die Drogenbauern. In einer UNODC-Umfrage im vergangenenJahr sagten 70 Prozent jener Bauern, die ihren Mohnanbaureduzierten oder stoppten, dies geschehe aus Angst vor derVernichtung ihrer Felder durch die Behörden. Auch Rasul hat nachder bitteren Erfahrung genug vom Schlafmohn. «Uns reicht es», sagter. «Wenn uns die Regierung Saatgut gibt, werden wir nächstes JahrWeizen anbauen.»