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Diagnose Depression Diagnose Depression: Jeder vierte Arbeitslose ist betroffen

19.10.2006, 07:10
Menschen ohne Job leiden drei Mal so häufig anDepressionen wie der Durchschnitt der Bevölkerung. (Foto: dpa)
Menschen ohne Job leiden drei Mal so häufig anDepressionen wie der Durchschnitt der Bevölkerung. (Foto: dpa) dpa/dpaweb

Leipzig/dpa. - «Einmal ist esder Verlust des Arbeitsplatzes. Bei bereits kranken Menschenhingegen verstärkt die Arbeitslosigkeit eine psychische Störungnoch einmal zusätzlich», sagte Professor Elmar Brähler von derUniversität Leipzig im dpa-Gespräch: «Wir leben in einerGesellschaft, in der wir über unsere Arbeit definiert werden.»

«Wir können Arbeitslosigkeit nicht abschaffen, von dieser Ideemüssen wir uns endgültig verabschieden», sagte der Wissenschaftler.Stattdessen sollte sich die Gesellschaft mit den Folgen derArbeitslosigkeit für die Gesundheit auseinander setzen. «Wirführen durchaus berechtigte Debatten über Feinstaub, aber dass auchsoziale Ursachen krank machen, wird oft vergessen.»

Nach einer Untersuchung Brählers leiden in Ostdeutschland rund 29und im Westen rund 26 Prozent der Arbeitslosen unter einerpsychischen Störung. In der Gesamtbevölkerung sind es nur etwa achtProzent. Mit einer Verschärfung der Situation sei zu rechnen. Dieskönnte auch die Krankenkassenbeiträge steigen lassen, was sich aufalle Beitragszahler auswirke. «Das Gesundheitssystem wird mächtig inAnspruch genommen, hier entstehen riesige Kosten», warnte Brähler.Den Gesundheitszustand Arbeitsloser zu verbessern und Depressionenvorzubeugen, könne die Kassen dagegen entlasten.

Auf Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung durchArbeitslosigkeit folgten Apathie und Antriebslosigkeit. «Und genauhier beginnt der Teufelskreis, denn Menschen mit psychischenStörungen haben es noch schwerer, erneut auf dem Arbeitsmarkt Fußzu fassen», erläutert der Wissenschaftler. Langzeitarbeitslosigkeitsei daher in vielen Fällen vorprogrammiert.

«Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass jemand, der besserausgebildet ist, automatisch einen Arbeitsplatz findet. Denn neueStellen werden trotzdem nicht geschaffen.» Selbsthilfegruppen undehrenamtliches Engagement könnten an Stelle der üblichenWeiterbildungen und Umschulungen ein Teil einer Lösung sein.Brähler sieht neben den Kirchen auch Parteien und Gewerkschaften inder Pflicht. «Hier fehlt es einfach an einer Lobby, von einerArbeitslosengewerkschaft hat man schließlich noch nichts gehört.»