Deutsche Geschichte Deutsche Geschichte: BKA erforscht SS-Vergangenheit seiner Mitglieder

Wiesbaden/dpa. - Wer in der NS-Vergangenheit gräbt, reißt leichtWunden auf: Diese Erfahrung muss das Bundeskriminalamt (BKA) machen.Dessen Präsident Jörg Ziercke hat begonnen, dienationalsozialistische Vorgeschichte seines Amts und ihreNachwirkungen nach 1945 systematisch aufklären zu lassen - ein Novumfür die großen deutschen Sicherheitsbehörden. Doch während einerVeranstaltung dazu musste er sich am Mittwoch harte Kritik gefallenlassen. Die in den 60er Jahren rekrutierten BKA-Kräfte fühlten sichunter den «Generalverdacht» rechter Neigungen gestellt, klagte JürgenVorbeck von der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Es gab aber auch andere Reaktionen. Zierckes Aufklärungswille habesein «jüdisches Herz tief berührt», bekannte der Schriftsteller RalphGiordano, der den Nazis entkommen war. Romani Rose, Vorsitzender desZentralrats der Sinti und Roma, bekundete Respekt: Die Aufarbeitungwerde das Vertrauen in die Polizei und den Rechtsstaat stärken.
Dass die deutsche Polizei ein williger Helfer der Nazis war, dasssie KZ-Transporte bewachte und an Massenerschießungen mitwirkte, istStand der Forschung. Ebenso wenig umstritten ist, dass viele ihrerBeamten ihre Karriere in der jungen Bundesrepublik fortsetzten - auchim BKA, wo laut Ziercke 1959 von 47 leitenden Beamten 33 eine SS-Vergangenheit hatten und einer davon sogar Präsident wurde.
Doch vieles ist noch nicht untersucht. Wie etwa wirkte sich diesepersonelle Kontinuität auf den Aufbau einer demokratischen Polizeiaus? Gab es auch ein Fortwirken kriminalistischer Ansätze, die dieGründe für Verbrechen in den Genen oder der Volkszugehörigkeit derTäter suchen? Ziercke ist der Meinung, dass seine Behörde darüberRechenschaft schuldig ist - allein schon, um die eigenen Mitarbeiterfür Phänomene wie Rassismus und Rechtsextremismus zu sensibilisieren.
Bevor Ziercke am Mittwoch ein unabhängiges Forschungsvorhaben dazuankündigte, hatte das BKA schon in eigener Sache ermittelt. Dazuorganisierte es drei Diskussionsveranstaltungen mit Historikern,Publizisten und Vertretern von zu NS-Zeiten verfolgten Minderheiten.Rose erinnerte am Mittwoch daran, dass die Länderpolizeien noch langeZeit die schon zu NS-Zeiten geführten «Zigeunerkarteien» pflegten:«Die Diskriminierung wurde bis Anfang der 90er Jahre fortgesetzt.»Andere Kritiker hatten schon früher moniert, dass das BKA lange ZeitLinksextremisten wesentlich mehr Aufmerksamkeit widmete als Rechten.
Für Johann Kubica, seit 30 Jahren beim BKA und heuteAbteilungsleiter, sind solche Praktiken aber nicht Ausdruck strammernationalsozialistischer Gesinnung, sondern gedankenloser Routine.Ohnehin seien die Verbindungen zur Vergangenheit unter dem Einflussneuer Herausforderungen rasch «zerfasert», sagte er am Mittwoch. Auchder Publizist Dieter Schenk («Die braunen Wurzeln des BKA») sieht dieNS-Seilschaften der Anfangszeit nicht als ideologische Triebtäter,sondern eher als Karrieristen.
Dies gilt laut Schenk vor allem für den 1971 pensionierten BKA-Präsidenten Paul Dickopf, der bevorzugt alte Kameraden von der«Führerschule der Sicherheitspolizei» in Charlottenburg rekrutierte.Gewerkschafter habe er benachteiligt und bei Beförderungenübergangen, sagte GdP-Mann Vorbeck am Mittwoch. Dennoch hätten dieGewerkschafter im BKA in den 60er Jahren unter schwierigenBedingungen demokratische Strukturen aufgebaut. Zierckes Aufarbeitunghabe das bisher «ignoriert». Doch auch Vorbeck befürwortete dasForschungsprojekt.