Deniz Yücel Deniz Yücel: Türkei-Korrespondent der "Welt" in Polizeigewahrsam

Istanbul - Erstmals ist während des Ausnahmezustandes in der Türkei ein deutscher Journalist in Polizeigewahrsam genommen worden. Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, hatte sich der Polizei in Istanbul bereits am vergangenen Dienstag gestellt, wie seine Redaktion am Freitag bestätigte. Den Anwälten des 43-Jährigen sei gesagt worden, dass gegen ihn wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, wegen Terrorpropaganda und wegen Datenmissbrauchs ermittelt werde.
Zwei Artikel über Terrororganisation
Dabei scheint es um gehackte E-Mails zu gehen, die vom Mailkonto von Energieminister Berat Albayrak stammen sollen, dem Schwiegersohn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.
Yücel hatte im Oktober und im Dezember Artikel auf Grundlage der von Redhack verbreiteten Mails verfasst, über die zunächst regierungskritische türkische Medien berichtet hatten und die dann auch Wikileaks veröffentlichte. In Yücels Artikeln ging es unter anderem um den Versuch der Regierung, „die Deutungshoheit in den sozialen Medien zu erringen“, wie er im Dezember schrieb.
Angela Merkel in Ankara
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in der vorvergangenen Woche bei einem Besuch in Ankara gesagt, sie habe mit Erdogan „sehr ausführlich“ über das Thema Pressefreiheit gesprochen. Sie habe außerdem auf die Akkreditierungen deutscher Journalisten in der Türkei hingewiesen „und auf verschiedene Fälle, wo wir uns auch durchaus Sorgen machen“. Die Regierung in Ankara weist Vorwürfe, sie schränke die Pressefreiheit ein, regelmäßig zurück.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen lag die Türkei schon vor dem im Juli 2016 verhängten Ausnahmezustand auf Platz 151 von 180 Staaten. Dutzende regierungskritische türkische Journalisten sitzen in Haft. Im Dezember war ein amerikanischer Korrespondent des „Wall Street Journal“ vorübergehend festgenommen worden, er verließ anschließend das Land. Yücel ist seit Mai 2015 Türkei-Korrespondent der „Welt“.
Yücel besitzt sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft. Aus Sicht der türkischen Behörden ist er damit ein einheimischer und kein ausländischer Journalist. Nach Angaben der „Welt“ wurde Yücels Istanbuler Wohnung durchsucht, nachdem der Korrespondent sich der Polizei gestellt hatte.
In der Türkei sitzen zahlreiche regierungskritische Journalisten unter Terrorvorwürfen in Haft. Menschenrechtsorganisationen halten die Anschuldigungen häufig für konstruiert und für politisch motiviert. Die Regierung weist solche Kritik zurück. (dpa)