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DDR-Geschichte DDR-Geschichte: Egon Krenz gibt den Traum vom Sozialismus nicht auf

Von Axel Büssem 16.03.2007, 08:02
Der letzte DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz steht am Strand des Ostseebades Dierhagen (Nordvorpommern). Krenz feiert am 19. März seinen 70. Geburtstag. (Foto: dpa)
Der letzte DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz steht am Strand des Ostseebades Dierhagen (Nordvorpommern). Krenz feiert am 19. März seinen 70. Geburtstag. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Dierhagen/dpa. - Eigentlich könnte das einstige SED-Politbüromitglied seinen Ruhestandgenießen. Doch auch zu seinem 70. Geburtstag, den er am 19. Märzfeiert, denkt Krenz nicht daran. Zu sehr beschäftigen ihn die Brüchenach 1989, als die DDR mit ihm unterging und er später wegen seinerMitverantwortung für die Toten an Mauer und Stacheldraht fast vierJahre im Gefängnis saß. In der Bundesrepublik ist Krenz bis heutenicht angekommen: «Ich kann mit diesem System keinen Frieden machen,weil das System keinen Frieden mit mir macht. Das politische System,das jetzt existiert, ist nicht mein System», sagt er der dpa.

Krenz war im Dezember 2003 auf Bewährung vorzeitig aus der Haftentlassen worden. Nach dem Urteil des Berliner Landgerichts, das ihnwegen Totschlags zu sechseinhalb Jahren Freiheitsentzug verurteilthatte, darf er nicht mehr für politische Ämter kandidieren. «Aber ichsitze nicht in der Schmollecke», sagt Krenz. Er sei für viele Leuteein gefragter Ansprechpartner. Jetzt werde oft so getan, als wärendie Familien in der DDR gezwungen worden, ihre Kinder in die Krippezu stecken, äußert er sich verärgert zum aktuellen ThemaKinderbetreuung. Auch zum Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistanhat er eine Meinung: Mancher Politiker müsste vor Gericht landen,weil er billigend in Kauf nehme, dass Deutsche wieder in einem Kriegumkommen könnten.

In Büchern, Vorträgen und Diskussionen vertritt der studierteLehrer weiter seine politischen Ideale: «Im Moment ist es nichtrealistisch, dass ein sozialistischer Staat in Deutschland entstehenkönnte, aber den sozialistischen Traum gebe ich nicht auf.» DerUntergang der DDR sei für ihn nicht der endgültige Sieg derpolitischen Ordnung der Bundesrepublik. «Die Geschichte ist nachvorne offen», gibt er sich kämpferisch. Krenz war 1990 aus der SED-Nachfolgepartei PDS ausgeschlossen worden.

Rückblickend will er die Entwicklung nach der Wende nicht ganzschwarz malen: «Ich bin ja kein Ignorant. Natürlich ist manchesangenehmer geworden - wie die Möglichkeit zu reisen und die Sanierungder Innenstädte. Aber gleichzeitig gibt es zu viele Leute, die sichdiese Annehmlichkeiten nicht leisten können.» Dafür seiBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die heute im Bundestag dengleichen Wahlkreis vertritt wie früher Krenz in der DDR-Volkskammer,mitverantwortlich. «Dabei müsste Merkel bei ihrer Biografie einbisschen mehr Verständnis dafür haben, was die einfachen Leutebewegt.»

Krenz war mit Beschwerden gegen seine Verurteilung nicht nur vordem Bundesgerichtshof, sondern auch vor dem Europäischen Gerichtshofgescheitert. Er sei nicht wegen seiner Mitschuld an den Schüssen ander Mauer auf Flüchtlinge, sondern als Repräsentant der DDRverurteilt worden, hatte er damals gesagt. Auch heute ist Krenz derAnsicht, dass er zu Unrecht verurteilt wurde. Der Frage nach Reueweicht er aus: «Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich fürGeschichte entschuldigen.»

Der 1937 in Pommern geborene Krenz war 1983 ins SED-Politbüro, denhöchsten Führungszirkel, aufgerückt und galt als zweiter Mann in derDDR-Führung hinter Erich Honecker. Nach dem Sturz Honeckers übernahmKrenz am 18. Oktober 1989 vor dem Hintergrund wachsender Unruhe undDemonstrationen die Macht. Krenz hält sich auch zugute, dass dieWende ohne Blutvergießen verlief. Für die Bürgerbewegung und weiteTeile der Bevölkerung war er aber einer der größten Wendehälse, dererst mutig wurde, als die Veränderungen nicht mehr aufzuhalten waren.Dennoch musste das Politbüro Anfang November 1989 wegen immerlauterer Proteste zurücktreten.