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DDR-Geschichte DDR-Geschichte: Briefe und Privatfotos von Erich Honecker aufgetaucht

06.10.2002, 12:47
Honecker-Koffer aufgetaucht
Honecker-Koffer aufgetaucht Focus

München/dpa. - Zwei Koffer aus dem Besitz des ehemaligen DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker und seiner Frau Margot sind inDeutschland aufgetaucht. Darin finden sich unter anderem Fotos,Manuskripte und etwa 20 Briefe, die das Ehepaar 1991 nach seinerFlucht nach Moskau an Margot Honeckers Bruder Manfred Feist in Berlinschrieb. Die Gepäckstücke gelangten über einen früheren VertrautenErich Honeckers in den Besitz des Magazins «Focus», das in seinerneuen Ausgabe über den Fund berichtet.

Der Potsdamer Historiker Michael Lemke sagte in einem dpa-Gesprächam Sonntag zur politischen Bewertung der Funde, Honecker führe in denBriefen den Untergang der DDR auf das Versagen des Kremls, Feinde imWesten und Verräter in den eigenen Reihen zurück. «Es besteht keinZweifel - das Material ist echt», betonte Lemke. «Es gibt keineManipulationen oder Fälschungen per Hand wie seinerzeit bei denHitler-Tagebüchern.»

Erich und Margot Honecker ließen die beiden Koffer laut «Focus» inBerlin zurück, als sie im März 1991 nach Moskau flohen. Sieenthielten etwa 400 Fotos der Honeckers, Urkunden, politischeErklärungen, Manuskripte und Bittbriefe an Politiker. Die heute 75Jahre alte Margot Honecker lebt seit 1992 in einem Prominentenviertelvon Santiago de Chile. Erich Honecker starb dort am 29. Mai 1994.

Die etwa 20 Briefe schrieben die Honeckers von März bis Dezember1991 aus der damaligen Sowjetunion an Manfred Feist und dessen FrauEdith. In dieser Zeit lebten der krebskranke Ex-SED-Chef und seineFrau auf einer Datscha bei Moskau und danach bis Juli 1992 in derchilenischen Botschaft in der russischen Hauptstadt. Auf Grundbesonderer Beziehungen zu Chile suchten sie dort Zuflucht, nachdemdie sowjetische Führung sie zum Verlassen des Landes aufgeforderthatte. Die Briefe aus dieser Zeit fanden erst später den Weg in diebeiden Koffer. Vermutlich legte das Ehepaar Feist sie zu den anderenGegenständen.

Zwei Briefe von Margot Honecker an ihren Bruder enthalten Hinweisedarauf, dass das Ehepaar Honecker auch nach seiner Flucht noch überGuthaben auf deutschen Konten verfügte. Über die Summe ist abernichts bekannt. Laut «Focus» transferierten Freunde der HoneckersGeld nach Chile, wo das Ehepaar dann ein Haus erwarb. Ende 1989 hattedie Staatsanwaltschaft Honeckers Konten eingefroren. Der Ex-DDR-Staatschef gab seinerzeit an, kein weiteres Geldvermögen zu besitzen.

Margot Honecker schrieb laut den «Focus» vorliegenden Dokumentenim Juni 1991 an ihre Verwandten: «Behütet das Geld dort, damit dieBande da nicht auch noch heran kann.» Am 23. Oktober erwähnt sie ineinem Brief an ihren Bruder eine «Geldtransaktion». ImAntwortschreiben hätten die Feists mitgeteilt, sie hätten alles imGriff.

Lemke arbeitet am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdamund hat den Inhalt der Koffer im Auftrag von «Focus» untersucht. DieDokumente erlaubten ausgezeichnete Einblicke in die historischenProzesse unmittelbar nach dem Mauerfall und vor allem in dieBefindlichkeiten der Honeckers, sagte er in dem dpa-Gespräch. «DieHoneckers hatten durchaus Schwierigkeiten mit Geld.»

Es werde deutlich, wie das in der DDR einst mächtige Ehepaardachte und wie die Eheleute sowie andere Führungspersönlichkeiten desgestürzten Regimes versuchten, sich in der neuen gesellschaftlichenSituation zurechtzufinden. Honecker sei überzeugt gewesen, dass dieOstdeutschen entrechtet, entwürdigt und beherrscht würden von denKapitalisten aus dem Westen. Hochinteressant sei vor allem, dassHonecker Moskau beschuldigte, ihn zu Fall gebracht zu haben.