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DDR DDR: Für Devisen geblutet

Von Andreas Förster 14.05.2013, 20:36
Blutpräparate aus der DDR brachten Devisen.
Blutpräparate aus der DDR brachten Devisen. dpa Lizenz

Berlin/MZ - Die Trarbacher Straße in Berlin-Weißensee ist eine nur wenige hundert Meter lange Nebenstraße mit unscheinbaren Mietshäusern. Im Erdgeschoss eines Altbaus mit der Hausnummer 20, hinter vergitterten Fenstern, war bis zum Untergang der DDR ein unauffälliges Firmenbüro untergebracht. Was wohl kaum einer der Nachbarn geahnt haben dürfte – in diesen Räumen wurden jährlich mehrere Millionen D-Mark für die devisenklamme DDR-Staatskasse erwirtschaftet.

„Zentrales Exportbüro beim Ministerium für Gesundheitswesen“ stand am Klingelschild der zweckentfremdeten Erdgeschosswohnung. Das Exportbüro verkaufte medizinische Leistungen und Präparate „Made in GDR“ an westliche Zwischenhändler. Die Stasi war auch hier immer dabei – mehrere Mitarbeiter des Exportbüros waren vom Mielke-Ministerium als IM verpflichtet worden. Dank ihrer im Stasi-Archiv überlieferten Berichte lässt sich heute auch der Umfang des deutsch-deutschen Bluthandels, an dem das Exportbüro mitwirkte, weitgehend rekonstruieren.

Anfang der 1980er Jahre hatte Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski entschieden, dass der von ihm geleitete Außenhandelsbereich Kommerzielle Koordinierung (KoKo) in das lukrative internationale Bluthandelsgeschäft einsteigen soll. Nach langwierigen Verhandlungen gelang es der KoKo-Firma Transcommerz und dem Exportbüro 1984, mit dem Schweizer Unternehmen „Ortho-Diagnostic-System“ (OTS) einen Liefervertrag über Blutpräparate aus der DDR abzuschließen. Endabnehmer sollte das Bayerische Rote Kreuz (BRK) sein. 1985 gelangten auf diesem Weg insgesamt knapp 35 000 Einheiten Erythrozytenkonzentrat (Erythrozyten sind rote Blutzellen) nach Bayern.

Beschafft wurde das Blut vom Exportbüro in Berlin-Weißensee, das dazu Liefervereinbarungen mit den Blutspendeeinrichtungen in Gera, Suhl, Erfurt und Leipzig abgeschlossen hatte. Um genug Ausgangsstoff für die Präparate zu bekommen, wurden auch Häftlinge aus dem Gefängnis im thüringischen Gräfentonna zur Ader gelassen. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Erfurt nach der Wende ergaben jedoch keine Hinweise auf eine zwangsweise Blutentnahme bei den Häftlingen.

Die üblichen „Begleitpapiere“ für jede Spende ließ das Exportbüro allerdings auf Weisung der Stasi manipulieren. So sollten die Spender nicht wie üblich selbst die Anamnese-Fragebögen ausfüllen und ihre Namen darauf vermerken. Die Frage „Kontakte mit Aids/Kontakte mit Homophilen“ sollte zudem „grundsätzlich mit Nein beantwortet“ werden, hieß es in der Anweisung.

Weil sich aus den Lieferpapieren die Spender nicht ermitteln ließen, entschloss sich das BRK 1986, die aus der DDR gelieferten und auf Unbedenklichkeit geprüften Blutpräparate weiterzuverkaufen – an das „New York Blood Center“ in den USA. Das Geschäft mit der DDR fand nach 1985 keine Fortsetzung. Die KoKo hatte an dem BRK-Deal knapp zwei Millionen D-Mark verdient.

Nach 1985 rekrutierte die KoKo zwei weitere Zwischenhändler für ihre Blutgeschäfte. Der eine war die Schweizer Firma Diag Human, die außer mit Blut auch mit Sprengpulver und Waffen handelte. Der zweite Geschäftspartner war der westdeutsche Kaufmann Klaus-Dieter Kranz, über dessen Humedia AG Blutpräparate in die Bundesrepublik verkauft wurden. Einer der Empfänger dieser Lieferungen war das Klinikum Karlsruhe.

Die Geschäfte mit der KoKo waren vom Bundeswirtschaftsministerium offiziell genehmigt worden. Bis zur Wende konnten so die KoKo und das Exportbüro in Weißensee jährliche Gewinne aus dem Blutexport in Höhe von vier Millionen D-Mark erlösen.