Claudia Kohde-Kilsch Claudia Kohde-Kilsch: Wird Sportskanone Linke-Kandidatin für Bundestagswahl?
Halle (Saale)/MZ - Wenn man sich auf ihrer Homepage umtut, dann erinnert die vor allem an die guten alten Zeiten. Unter der Rubrik „schönste Erfolgsmomente“ steht ganz oben der Wimbledon-Sieg im Doppel. 1987 war das. Gemeinsam mit der Tschechin Helena Sukova. Unter Hobbies ist zu lesen: „Fußball, Golf, Ski, Musik, Konzerte, Musicals, Museum, Fashion.“ Politik? Fehlanzeige. Unter dem Link Presse taucht ein Stern-Titel aus dem Jahr 1986 auf. Der zeigt eine Tennisspielerin von damals 23 Jahren, garniert mit der Zeile: „Das Tagebuch der Claudia Kohde. Siege, Tränen und Intrigen. So geht es zu im Spitzentennis der Damen!" Auch sieht man ein Foto jüngeren Datums mit der heute 49-Jährigen als Golfspielerin. Was diese 49-Jährige hauptsächlich tut, erfährt man eher nebenbei: „Seit 2012 ist Claudia Kohde-Kilsch Referentin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion Die Linke im Landtag des Saarlandes.“
Am Sonntag nun nominiert diese Linke ihre Kandidaten für die Bundestagswahl. Und der einstige Parteichef Oskar Lafontaine hat sich dafür ausgesprochen, Kohde-Kilsch Platz zwei der Landesliste zu geben. Das würde ihren Einzug ins Hohe Haus garantieren. Kohde-Kilsch im Bundestag, das wäre ein Aufsehen erregendes Comeback, das sogar Steffi Graf zur Kenntnis nehmen müsste – ihre einstige Konkurrentin auf dem Center Court, die im fernen Amerika lebt, während Claudia Kohde-Kilsch vom Saarland nie loskam. Es ist allerdings so, dass andere Genossen wenig von Lafontaines Idee halten. Sie sei ja noch nicht sehr lange Mitglied der Partei, heißt es, und politisch wenig profiliert. Auch hat die Saar-Linke schon zwei Vertreter in Berlin: Yvonne Ploetz und Thomas Lutze. Einer müsste weichen. Es steht also ein Kampf an. Die eigene Biografie ist für Kohde-Kilsch bei diesem Kampf Stütze und Hindernis zugleich.
Einerseits lässt sich an der Sportlerin wunderbar ablesen, wie es in einer Gesellschaft, die die Linke kapitalistisch nennt, auf- und abgehen kann. Auf ihrer Homepage ist das Auf sauber aufgelistet. Der vierte Platz auf der Weltrangliste. Der Sieg über Martina Navratilova. Der Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Seoul – gemeinsam mit Graf. „Insgesamt fünf Jahre behauptete sie sich in den Top Ten“, hat da einer aufgeschrieben. Das Ab fiel dann gnadenloser aus als bei anderen Sportlern. Denn Kohde-Kilschs Stiefvater Jürgen Kilsch verwaltete, was sie erwirtschaftete: vier Millionen D-Mark. Nur ist Verwalten das falsche Wort. Von dem Geld blieb nichts übrig. Kohde-Kilsch musste Privatinsolvenz anmelden. Lafontaine zählt zu jenen, die der Ex-Tennisspielerin da heraushalfen, in dem er ihr die Stelle als Sprecherin anbot. Ein „Traumjob“, wie sie findet. Der 69-jährige Patriarch möchte aus ihr jetzt auch noch eine Art Eberhard Gienger der Linken machen. Der ehemalige Reck-Turner wurde später Bundestagsabgeordneter der CDU.
Freilich sind Giengers Leistungen im Parlament weit hinter seinen Leistungen an der Stange zurück geblieben – zumindest wenn man die öffentliche Wahrnehmbarkeit zum Maßstab nimmt. Aus seiner sportlichen Laufbahn ist immerhin der „Gienger-Salto“ überliefert. Etwas Vergleichbares hat der 61-Jährige unter der Reichstagskuppel vermissen lassen. Ähnliches könnte Kohde-Kilsch passieren. Dem Magazin Der Spiegel sagte sie dieser Tage: „Bei uns war alles Mittelschicht. In den anderen Ländern gab es Unten und Oben. Jetzt geht es bei uns auch so los.“ Das ist zumal aus linker Perspektive wohl richtig. Doch wie ein von gründlicher Marx-Lektüre gesättigtes politisches Programm klingt es noch nicht. Und wie eine Bundestags-Rede erst recht nicht. Es ist wohl auch kein Zufall, dass Lafontaine für Kohde-Kilsch den Sportausschuss auserkoren hat. Aber auch dazu müsste sie es erst mal in den Bundestag schaffen. Und es in den Bundestag zu schaffen, das bedeutet, einen der anderen Kandidaten bei der Versammlung am Sonntag zu verdrängen. Sie müsste so fies zu anderen sein wie Steffi Graf angeblich früher zu ihr. Selbst bei der Linken gewinnen ja nicht immer alle.
Kohde-Kilsch wurde zuletzt mit den Worten zitiert: „Vielen Politikern fehlt Herzblut. Sportler haben mehr echte Emotionen." Am Dienstag schrieb sie in einer SMS an diese Zeitung: „Ich habe mich nach Überlegung dazu entschieden, bis einschließlich 5. Mai keine Interviews mehr zu geben. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“