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Christian Lindner Christian Lindner: Jung smart selbstbewusst - Das neue Selbstbild der FDP

Von Kordula Doerfler 15.05.2017, 15:10
Kann Christian Lindner den NRW-Erfolg der FDP bundesweit wiederholen?
Kann Christian Lindner den NRW-Erfolg der FDP bundesweit wiederholen? Getty Images

Berlin - So sehen Sieger aus. Christian Lindner trägt einen gepflegten Dreitagebart und einen perfekt geschnittenen Anzug, als er am Montagvormittag in Berlin vor die Hauptstadtpresse tritt, an den Schatten unter den Augen lässt sich die Anstrengung der letzten Tage und Wochen ablesen. Sie hat sich gelohnt. Lindner, die Botschaft ist klar, ist sehr zufrieden, er hat die Liberalen in Nordrhein-Westfalen in ungeahnte Höhen geführt. 12,6 Prozent holte die FDP am Sonntag mit ihm als Spitzenkandidaten, so viel wie nie zuvor. Das Unerwartbare ist damit in greifbare Nähe gerückt, eine schwarz-gelbe Koalition.

Das Dilemma der FDP

Aber will Lindner das? Schon am Wahlabend hat er Hoffnungen gedämpft, dass es gleichsam per Naturgesetz in Düsseldorf dazu kommen wird. Kühl wünschte er dem überraschend starken Wahlsieger Armin Laschet von der CDU eine gute Hand bei der Regierungsbildung. Viel mehr Herzlichkeit ist auch am nächsten Tag nicht zu spüren. „Das Ergebnis ist so gut, dass es jetzt nicht ganz leicht ist, mit ihm richtig umzugehen“, sagt Lindner, und beschreibt präzise das Dilemma, in dem seine Partei nun steckt.

Christian Lindner, seit 2013 Parteichef der Liberalen, beherrscht viele Rollen, er gilt als eines der größten Talente im deutschen Politikbetrieb. Und er hat sich sehr viel vorgenommen, er will, er muss die FDP aus der Krise führen, muss sie profilieren. Es wäre aber unklug, jetzt zu viel Lust an der Macht zu zeigen. Nur im Falle eines „echten Politikwechsels“ werde seine Partei in eine Koalition mit Laschets  CDU eintreten, sagt Lindner, der habe ja schließlich auch Wahlkampf gegen die FPD gemacht.

Düsseldorf soll nur der Anfang sein

„Das zeigt, dass die FDP ganz eigenständig ist und dass die Wähler uns haben wollten, nicht irgendeinen Koalitionspartner.“  Selbstverständlich sei man aber bereit, Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen zu übernehmen. Lindner will sich alle Optionen offenhalten, auch für die neuen bunten Bündnisse, die Jamaika heißen oder Ampel. Vielleicht will da ja einer auch schlicht den Preis nach oben treiben. 

Wie auch immer die Sache in Düsseldorf ausgeht, für Lindner ist das Ziel klar. Ja, er will sich erneut als Fraktionschef in Düsseldorf bewerben, und ja, er will mögliche Koalitionsverhandlungen maßgeblich mitführen. Aber er will die FDP im September auch zurück in den Bundestag bringen - und dann in Berlin bleiben, möglicherweise als Juniorpartner von Angela Merkel.

Christian Lindners One-Man-Show

Christian Lindner sitzt also in vielen Funktionen hier in Berlin, ganz allein. Der Kontrast zu seinen Vorrednern könnte nicht größer sein, die AfD ließ zuvor ihr gesamtes Spitzenpersonal anreisen, um nach den Machtkämpfen der letzten Monate nur ja den Eindruck der Geschlossenheit zu vermitteln. Lindner hingegen kommt ohne jede Begleitung, er gibt also wieder die One-Man-Show, die man ihm so oft vorwirft.

Er mag das Thema nicht, wirkt plötzlich gereizt. Dabei ist unverkennbar, wie sehr er auch diesen Auftritt genießt, dass er von sich selbst spricht, wenn er die FDP in NRW als Tempomacher beschreibt. Man darf davon ausgehen, dass der Begriff bewusst gewählt ist, jahrzehntelang galt die FDP schließlich als Königsmacher der Bundespolitik.

Es läuft gerade alles gut für Christian Lindner, vor einer Woche schnitt die FDP in Schleswig-Holstein so stark ab, dass sie auch in Kiel darauf hoffen darf, in der Regierung zu sitzen.

Berliner Ambitionen

Als Tempomacher sieht Lindner sich auch im Bundestagswahlkampf. Die Schmach von  2013, als die FDP zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte an der Fünfprozenthürde scheiterte, will er wiedergutmachen. Dass die Wähler ihm seine vielen Ämter und Rollen übelnehmen, braucht er nun, nach dem Triumph im Westen, vorerst nicht mehr fürchten. Anders als Norbert Röttgen, der auch wegen seines Lavierens als CDU-Spitzenkandidat 2012 in Nordrhein-Westfalen die Wahl verlor, gab sich Lindner offensiv, wenn es um seine politische Zukunft geht.

Bereits vor vier Jahren bekannte er sich zu seinen Berliner Ambitionen. „Ich ziehe es in jedem Fall vor, ein einflussloser Bundestagsabgeordneter zu sein als stellvertretender Ministerpräsident in Düsseldorf“, bekräftigt er am Montag noch einmal. 

Dahinter kann der 38-Jährige nur noch schwer zurück, das weiß er selbst nur zu genau.  Lindner macht seit 20 Jahren Politik, hat eine steile Karriere erst  in Nordrhein-Westfalen und dann in der Bundespartei hinter sich und auch schon einen tiefen Fall. Im Jahr 2011, nachdem der ebenfalls sehr junge Philipp Rösler Guido Westerwelle den Parteivorsitz abgenommen hatte, trat Lindner zur Überraschung vieler als Generalsekretär zurück, ohne dies näher zu begründen.

Auftritt: jung, smart, selbstbewusst

Im Nachhinein zeigte sich, welch kluge Entscheidung das war. Nach dem Desaster von 2013 galt Lindner als nicht vorbelastet, und wer sonst hätte die Partei übernehmen sollen? Vier Jahre hat Lindner Kärrnerarbeit geleistet, hat die FDP darauf eingeschworen, sich weniger besserwisserisch und optimistischer zu präsentieren. Jetzt kommt sie jung, smart, selbstbewusst daher, und Lindner ist die Personifizierung dieses Wandels. Sie trifft damit, davon ist er überzeugt, das Lebensgefühl vieler Menschen.