Christen vor neuem Aufbruch - Abendmahl bleibt Streitpunkt
München/dpa. - Mit eindringlichen Aufrufen zu einem neuen Aufbruch der Christen ist der 2. Ökumenische Kirchentag (ÖKT) in München zu Ende gegangen.
«Wir brauchen ein Wachstum an Mitmenschlichkeit, an Rücksichtnahme und Achtsamkeit», sagte der evangelische ÖKT-Präsident Eckhard Nagel am Sonntag beim großen Abschluss-Gottesdienst. Der katholische ÖKT-Präsident Alois Glück betonte, die Christen müssten ihre Verantwortung für die Welt gemeinsam wahrnehmen. «Deshalb wollen wir uns gemeinsam einsetzen für mehr Gerechtigkeit, hier und weltweit», sagte Glück vor rund 100 000 Besuchern des Gottesdienstes unter freiem Himmel.
«Durch diesen Kirchentag hat die Ökumene in Deutschland ein neues Gesicht bekommen», sagte Nagel. Und auch Glück betonte: «Die Ökumene in Deutschland ist wetterfest.» Zugleich mahnte er mehr Tempo beim Ringen um weitere Annäherung der beiden großen Kirchen an und sprach ausdrücklich das vom Vatikan verweigerte gemeinsame Abendmahl von Katholiken mit Protestanten an. Insbesondere denke er an die konfessionsverschiedenen Ehen, sagte Glück. «Dort leiden viele Menschen schmerzlich daran, dass sie keine Eucharistiegemeinschaft haben.»
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der rheinische Präses Nikolaus Schneider, hatte bereits am Samstag die Sehnsucht der Protestanten nach einem gemeinsamen Abendmahl mit den Katholiken unterstrichen. Die gemeinsame, am orthodoxen Ritus orientierte Feier vom Freitagabend mit gesegneten Broten an 1000 Tischen könne deshalb in der Abendmahlsfrage nur als Vorspeise verstanden werden: «Das Hauptgericht steht sozusagen noch aus.»
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, sagte am Samstag dazu: «Ich verstehe die Sehnsucht, ich verstehe die Ungeduld.» Dennoch mahnte er Geduld an, denn Fortschritte in der Abendmahlsfrage müssten theologisch sorgfältig vorbereitet sein. Mit einer Menschenkette demonstrierten katholische Reformgruppen am Samstagabend in der Münchner Innenstadt für ein gemeinsames Abendmahl mit den Protestanten. Knapp 2000 Menschen gaben einander die Hände, um ein Zeichen für die Mahlsgemeinschaft zu setzen.
Beim Schlussgottesdienst am Sonntag würdigte Zollitsch den Kirchentag als wichtigen Impulsgeber. Die Teilnehmer hätten «anregende Tage ökumenischer Verbundenheit» erlebt. Die Welt brauche Hoffnungszeichen christlichen Handelns, sagte Zollitsch. Auch EKD- Ratsvorsitzender Schneider hob die Bedeutung christlichen Engagements für eine gerechte Welt hervor. Allerdings mischten sich die Christen oftmals zu zaghaft und kleinlaut in die politischen und gesellschaftlichen Diskussionen ein, betonte er in seiner Predigt.
Trotz nasskalten Wetters und Nieselregens waren nach Angaben der ÖKT-Veranstalter rund 100 000 Gläubige zu dem Abschluss-Gottesdienst auf der Theresienwiese gekommen. Darin hielten auch der griechisch- orthodoxe Metropolit Augoustinos und Bischöfin Rosemarie Wenner von der evangelisch-methodistischen Kirche kurze Predigten.
Glück sprach von einer schwierigen Situation der katholischen Kirche, die durch die Missbrauchstaten von Geistlichen in eine schwere Vertrauenskrise geraten sei. «Wir Laien wollen unseren Beitrag leisten, damit aus dieser Krise eine neue Lebendigkeit, eine neue Strahlkraft, eine neue Anziehungskraft wächst.»
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zeigte sich inzwischen mit der kirchlichen Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zufrieden. «Es ist einiges in Bewegung geraten, da zeigt sich, dass die Kirche wirklich etwas verändern will», sagte sie am Samstag beim Kirchentag.
Das Treffen unter dem biblischen Leitwort «Damit ihr Hoffnung habt» war am vergangenen Mittwoch eröffnet worden. An den rund 3000 Veranstaltungen nahmen nach Angaben der Veranstalter mehr als eine halbe Million Menschen teil, darunter rund 130 000 Dauergäste. Star des Treffens war die evangelische Pastorin Margot Käßmann. Die 51- Jährige, die nach einer Trunkenheitsfahrt im Februar ihre Ämter als Landesbischöfin in Hannover und EKD-Ratsvorsitzende niedergelegt hatte, trat in München erstmals wieder öffentlich auf.
Auch bei einer Veranstaltung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) musste am Freitag die 6000 Menschen fassende Messehalle wegen Überfüllung geschlossen werden. Ein letztes musikalisches Highlight war am Samstagabend ein eintrittsfreies Open-Air-Konzert mit der deutschen Sängerin Nena, die 15 000 Menschen mit alten und neuen Liedern wie «99 Luftballons» oder «In meinem Leben» begeisterte.
ÖKT-Veranstalter sind die beiden großen Laienorganisationen, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT). Nagel und Glück äußerten die Erwartung, dass es 2017 ein Folgetreffen geben wird. Der 1. Ökumenische Kirchentag hatte 2003 in Berlin stattgefunden.
ÖKT-Programm: http://dpaq.de/0YX5m