Chile Chile: Ex-Chef der Colonia Dignidad ist tot

Santiago de Chile/dpa. - Schäfer war wegen Mordes, Folter,sexuellen Missbrauchs Minderjähriger und anderer Verbrechen zu einerHaftstrafe von insgesamt 33 Jahren verurteilt worden. Er erlag ineinem Gefängnishospital in der Hauptstadt Santiago einem Herzleiden,wie die Justizbehörde mitteilte. Dort war er seit Juli vergangenenJahres stationär behandelt worden.
Schäfer hatte die inzwischen in Bayerisches Dorf umbenanntelandwirtschaftliche Siedlung im Süden Chiles bei Parral fast dreiJahrzehnte geleitet. Er spielte sich dabei zum Herren über alleLebensbereiche der Anfang der 1960er Jahre aus Deutschlandeingewanderten Siedler auf und riegelte das 17 000 Hektar große Guthermetisch gegen die Außenwelt ab. Seine Vertrauensleute trugenWaffen und kontrollierten einen kilometerlangen Stacheldrahtzaun rundum die Kolonie. Niemand durfte sie ohne Schäfers Erlaubnis verlassen.
Der Sprecher der Siedlung, Martin Matthusen, sagte derNachrichtenagentur dpa: «Wenn ein Mensch stirbt, ist das immertraurig, und der Tod vielleicht nicht der Augenblick, um Urteile zufällen». Es mache die Siedler jedoch traurig, dass Schäfer nie umEntschuldigung gebeten habe. Beim chilenischen Volk bitte dieSiedlung um Vergebung für alles Leid, dass durch Mitgliederangerichtet worden sei. Auf keinen Fall werde Schäfer auf dem Gebietder früheren Colonia Dignidad beerdigt, betonte Matthusen: «Dagegenhat sich die Gemeinschaft in einem eindeutigen Beschlussausgesprochen».
Während der Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) diente dieSiedlung auch als Folterlager der damaligen Geheimpolizei Dina.Berichte von Geflohenen wurden von der chilenischen Justiz währendder Diktatur nicht verfolgt. Auch von den deutschen Behörden kam kaumProtest. Nach dem Ende der Diktatur kamen die Verbrechen ans Licht.Schäfer tauchte 1997 zunächst unter, konnte aber 2005 in Argentinienfestgenommen und später in Chile vor Gericht gestellt werden.
Der Rechtsanwalt von Opfern Schäfers aus der Siedlung, der ChileneHernán Fernández, forderte die Justiz seines Landes auf, den TodSchäfers zum Anlass zu nehmen, nun auch die Ermittlungen gegen dieHelfer des früheren Sektenchefs voranzutreiben. «Hier müssen endlichUrteile gefällt werden». Ähnlich äußerte sich die Not- undInteressengemeinschaft der Colonia Dignidad-Geschädigten aus Berlin.Sie forderte von den Behörden in Chile, dass nach dem Tod desHauptverantwortlichen auch dessen Helfershelfer endlich ihre Strafeantreten müssten. Die fünf Jahre, die Schäfer in chilenischer Haftgesessen habe, seien viel zu wenig angesichts der Schwere seinerSchuld.
Der chilenische Präsident Sebastián Piñera versprach, die Justizwerde streng gegen weitere Schuldige der Siedlung vorgehen. «Wirwerden nicht zulassen, dass Verbrechen gegen Jungen und Mädchenunseres Landes ungesühnt bleibt. Persönlich werde ich mich dafüreinsetzen, dass die zuständigen Behörden alle dafür notwendigenMittel an die Hand bekommen», sagte der Staatschef. Auf Schäfer wartenun die «göttliche Gerechtigkeit».