Chemieunternehmen innospec Chemieunternehmen innospec: Hier werden Flüchtlinge zu Praktikanten

Leuna - Khairudden Nazaris Praktikumsbeurteilung des Chemieunternehmens innospec liest sich wie eine Lobeshymne: Er lerne leicht, sei geschickt und findig, immer pünktlich, genau und sorgfältig, kollegial und einsichtig.
Gern würde Dietrich von der Wense, Managing Director bei innospec, mehr engagierte Geflüchtete wie Nazari als Praktikanten einstellen. Doch seine Bemühungen scheitern an der Vermittlungsbereitschaft der Behörden.
Der 17-jährige Nazari ist vor dem Krieg in Afghanistan nach Deutschland geflüchtet und lebt seit mehreren Monaten in Weißenfels. Sein Antrag auf Asyl läuft. Gerne würde er eine Ausbildung beginnen und in seiner neuen Heimat Fuß fassen.
Von November bis Dezember vergangenen Jahres absolvierte er deshalb ein Praktikum in der Instandhaltung bei innospec Leuna. Das Chemieunternehmen war zu diesem Zeitpunkt bereits seit über einem Jahr auf der Suche nach Geflüchteten, die im Zuge eines Praktikums den Arbeitsalltag innospecs kennenlernen wollten.
Monatelang suchte das Unternehmen allerdings vergebens. „Das war aber ein strukturelles Problem. Egal welche Behörde wir kontaktiert haben, niemand konnte oder wollte uns jemanden vermitteln“, sagt von der Wense.
Flüchtlinge als Praktikanten: Mangelnde Sprachkenntnisse?
Er hat bewusst Geflüchtete als Praktikanten einstellen wollen, um einen Beitrag zu leisten und ihnen eine Chance zu geben. Doch obwohl er sich aktiv unter anderem beim Jobcenter Saalekreis nach Kontakten zu Geflüchteten erkundigt hat, habe er lediglich gesagt bekommen, welche Hindernisse ihn erwarten würden, nicht aber, wie er diese überwinden könne. „Viele Geflüchtete stecken einfach in Maßnahmen fest, während niemand das Bedürfnis hat, sie weiter zu vermitteln“, sagt von der Wense.
Das Jobcenter Saalekreis widerspricht dem Unternehmer nicht: „Fakt ist, dass wir im Zeitraum von August bis September 2016 kaum arbeitslose Flüchtlinge hatten“, sagt Gert Kuhnert vom Jobcenter auf Anfrage der Mitteldeutschen Zeitung.
Als arbeitslos gilt nur, wer nicht an Fortbildungs- oder in diesem Fall Integrationsmaßnahmen teilnimmt, sondern jederzeit eine neue Arbeitsstelle antreten kann. Das größte Problem sei demnach gewesen, dass der Großteil der Geflüchteten im Saalekreis in Integrationsmaßnahmen eingebunden war und darüber hinaus nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügt hätte.
„Das ist aber Grundvoraussetzung dafür, sie vermitteln zukönnen. Besonders an den Chemiestandort Leuna, wo sie im Notfall Sicherheitsdurchsagen verstehen müssen“, sagt Kuhnert. Dieses Problem habe das Jobcenter innospec im Gespräch erläutert. Zudem sei das Chemieunternehmen nicht bereit gewesen, Geflüchtete einzustellen, sondern habe lediglich auf die Vermittlung von Praktikanten bestanden. Jobcenter und innospec hätten sich aus diesem Grund nicht einigen können.
Von der Wenses Bemühungen um Geflüchtete waren trotzdem erfolgreich. Der Kontakt zum 17-jährigen Nazari entstand letztendlich durch die Bildungsakademie Leuna. Lehrlinge des Chemieunternehmens absolvieren dort den schulischen Teil ihrer Ausbildung, unter anderem ihre Meisterkurse. „Da war es einfacher zu sagen: Bitte vermittelt uns doch einen Geflüchteten“, sagt von der Wense.
Als Nazari sein zweiwöchiges Praktikum bei innospec begann, waren seine deutschen Sprachkenntnisse „definitiv ausreichend“, sagt von der Wense. Die Verständigung sei zu keinem Zeitpunkt ein Problem gewesen. Der 17-Jährige hatte zwar keinerlei Vorerfahrung im Bereich der Instandhaltung, dafür aber großes Interesse an Metallverarbeitung.
Außerdem sei er von Tag eins an sehr engagiert gewesen. Den jungen Geflüchteten als Praktikanten ins Unternehmen zu holen sei obendrein auch eine wichtige Erfahrung für viele Kollegen gewesen. „Die Geschichte seiner Flucht zu hören, hat dabei geholfen, Offenheit zu entwickeln“, sagt von der Wense. Im Arbeitsalltag habe sich der junge Afghane einwandfrei integriert, seine Aufgaben gewissenhaft und sorgfältig erledigt.
Auch seine Kollegen finden ausschließlich positive Worte für den Praktikanten aus Afghanistan. Im März dieses Jahres wird Nazari ein zweites mehrwöchiges Praktikum bei innospec absolvieren - als Vorbereitung auf eine Ausbildung beim Chemieunternehmen, die er im August beginnen soll.
Während Nazari zuvor jedoch noch sein berufsvorbereitendes Jahr abschließen muss, arbeitet derzeit bereits ein zweiter Praktikant im Leunaer Chemieunternehmen. Noureddine Boussetta, 35, stammt ursprünglich aus Libyen und lebt nach seiner Flucht aus dem Bürgerkriegsland in Halle.
Auch ihm wurde bislang lediglich eine Aufenthaltserlaubnis zugesprochen, die für jeweils zwei Jahre verlängert werden kann. Sein Antrag auf Asyl läuft noch. Der 35-Jährige wurde an der Universität Sirte (Libyen) zum Metallmechaniker ausgebildet und spricht vier Sprachen, darunter Französisch, Italienisch und mittlerweile auch Deutsch.
Keine Ausnahmen gegenüber anderen Kollegen
Boussetta arbeitet ebenso wie Nazari in der Instandhaltung des Chemieunternehmens, übernimmt komplette Schichten. „Momentan ist er natürlich noch mehr ein Hilfsarbeiter. Das liegt aber eher an der kurzen Zeit, die er bei innospec ist“, sagt Mirko Graf, Leiter der Instandhaltung. Nichtsdestotrotz sei der 35-Jährige gänzlich in alle Arbeitsabläufe integriert.
„Da gibt es keine Ausnahmen gegenüber anderen Kollegen“, sagt Graf. Sein Vorgesetzter schätzt an Boussetta insbesondere seine Fingerfertigkeit und sein Interesse. So hätte er an seinem ersten Arbeitstag mit leuchtenden Augen unzählige fachliche Fragen gestellt - seine Wissbegierigkeit würde bis heute anhalten.
Auch seine Kollegen sind vom Können des Libyer überzeugt. „Man merkt, dass er im Beruf nicht fremd ist. Leider wird seine Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt“, sagt Graf. Aus diesem Grund hofft auch der 35-Jährige nach Beendigung seines Praktikums auf einen Ausbildungsplatz bei innospec. „Wir werden sehen, wie er sich entwickelt, aber die Chancen stehen gut“, sagt von der Wense. (mz)